Benjamin Britten: War Requiem; Anna Netrebko, Ian Bostridge, Thomas Hampson, Coro e Voci Bianche dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Roma, Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Roma, Sir Antonio Pappano; 1 CD Warner Classics 6154482; 2013 (80'05) – Rezension von Guy Wagner

Die Nazis hatten während ihrer Angriffe auf Großbritannien die ahnungslose Stadt Coventry in den West Midlands am 13. November 1940 so radikal bombardiert, dass Klumpfuß-Goebbels später den Begriff ‘coventrieren’ prägen konnte, um totale Verwüstungen von Städten und Stadtteilen zu bezeichnen. Bei den Luftangriffen auf Coventry kamen 568 Menschen ums Leben, 4.330 Häuser und unersetzliche Kulturgüter, vor allem aber die mittelalterliche ‘St Michael’s Cathedral’, wurden zerstört. Nach dem Krieg beschloss man, eine neue Kathedrale im rechten Winkel zu diesen Ruinen zu erbauen. Für deren Einweihung bat das ‘Coventry Cathedral Festival Committee’ Benjamin Britten, eine größere Komposition zu schreiben. Britten war begeistert. Ihm schwebte seit längerem ein vielschichtiges Chor- und Symphoniewerk vor. Er griff nun auf die traditionelle lateinische Requiem-Messe zurück und verband sie mit Gedichten des 24-jährigen Wilfred Owen, der 1918, eine Woche vor dem Waffenstillstand im ‘Great War’ sein Leben auf dem Schlachtfeld verloren hatte.

Britten schuf ein überaus reiches und komplexes Werk. Ein Teil ist dem großen Orchester, dem gemischten Chor und dem Sopransolo vorbehalten: Sie gestalten den lateinischen Messeteil. Dazu gibt es ein Kammerorchester von zwölf exzellenten Instrumentalisten, die den Tenor und den Bariton in der Gestaltung der Owen-Gedichttexte unterstützen. Zudem gibt es noch – wie so oft bei Britten – einen Knabenchor, der, getrennt vom Rest, mit eigenem Dirigenten und nur begleitet von einer Kammerorgel ‘seine Wege geht’.

Das Ganze macht einen überwältigenden Eindruck, und das ‘War Requiem’ zählt, meiner Meinung nach, zu den ganz großen Musikschöpfungen der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Trotz seiner Komplexität, gibt es eine beachtliche Reihe von Aufnahmen des Werkes auf CD und DVD. Mir ist besonders die DVD mit Andris Nelsons ans Herz gewachsen, die 2012 zum 50. Jahrestag der Wiedereinweihung der Kathedrale von Coventry entstanden ist.

Hier haben wir es nun mit einer italienischen Produktion zu tun, die auch in Salzburg 2013 mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Sir Antonio Pappano leitet Chor und Orchester der ‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia’, denen er seit 2005 vorsteht, und man spürt seine  Vertrautheit mit den Musikern und den Chorsängern jederzeit heraus.

So erwächst Gestaltungskunst auf sehr hohem Niveau! Auch die drei Solisten, die, wie bei der Ersteinspielung, aus drei verschiedenen Ländern kommen (nur dass der deutsche durch einen amerikanischen ersetzt wurde) überzeugen. Die Russsin Anna Netrebko glänzt durch die Strahlkraft ihrer Stimme, der Amerikaner Thomas Hampson ist, wie immer, nobel und generös in seiner Gestaltung. Die Palme aber gebührt dem englischen Tenor Ian Bostridge. Er muss heute als der wohl beste Britten-Interpret und als der würdige Nachfolger des legendären Peter Pears angesehen werden. Dieses italienische ‘War Requiem’ braucht keinen Vergleich zu scheuen und gehört zweifellos zur Elite der bestehenden Einspielungen.

Antonio Pappano, the Accademia Nazionale di Santa Cecilia as well as three excellent soloists – among them one of the best Britten experts, Ian Bostridge, assure the very high level of this Italian ‘ War Requiem’ belonging undoubtedly to the top selection of the existing recordings.

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