Der Clara Haskil Klavierwettbewerb findet alle zwei Jahre statt. Seit 1973 läuft er in Vevey, am Ufer des Genfersees. Hier wohnte einst die Pianistin Clara Haskil, Namensgeberin des Wettbewerbs. Antje Rößler war für Pizzicato dabei.
Unter den früheren Preisträgern des Wettbewerbs finden sich bekannte Namen wie Christoph Eschenbach, Mihaela Ursuleasa oder Martin Helmchen. Man konzentriert sich auf das Repertoire von Clara Haskil, die sich vor allem den Wiener Klassikern, Schumann und Brahms widmete.
Die rumänische Jüdin floh 1942 aus dem deutsch-besetzten Frankreich in die Schweiz. Sie zog nach Vevey, wo sie erstmals von ihren Einnahmen leben und sich einen eigenen Flügel leisten konnte. Regelmäßig besuchte sie Charlie Chaplin, der oberhalb des Städtchens in einer mondänen Villa residierte.
In Vevey erinnert eine Tafel vor dem einstigen Wohnhaus an Clara Haskil. Auch eine Straße und eine Bushaltestelle sind nach ihr benannt – und natürlich der hiesige Klavierwettbewerb, für den es in diesem Jahr 133 Bewerbungen gab.
Nach der ersten Videorunde reisten 25 Pianisten zum Viertelfinale nach Vevey an. Sie wurden bei Gastfamilien untergebracht, die auch hochwertige Klaviere zur Verfügung stellen. Die öffentlichen Wettbewerbsrunden fanden im kleinen Theater am Marktplatz von Vevey statt; sie waren gut besucht. Vom Foyer aus blickt man auf den See und die spektakuläre Steilwand der französischen Alpen
Im Halbfinale stellten die Teilnehmer mit einer der Cellosonaten Beethovens auch ihr kammermusikalisches Können unter Beweis – Referenz an Clara Haskils Zusammenarbeit mit Pablo Casals. Die Kandidaten wurden von dem französischen Cellisten Marc Coppey begleitet, der zugleich einen Platz in der siebenköpfigen Jury innehat. Jury-Vorsitzender ist zum zweiten Mal der irische Pianist Finghin Collins, der 1999 selbst den Haskil-Preis gewann.
Im Finale wurden die Kandidaten vom aus Nachwuchsmusikern bestehenden Zermatt Festival Orchester unter Leitung von Gábor Takács-Nagy begleitet. Es gab zwei Orchesterproben zur Vorbereitung.
Die drei Finalisten erwiesen sich als sehr unterschiedliche Künstler-Persönlichkeiten. Der 20-jährige Simon Haje aus Deutschland, der an der Kölner Musikhochschule studiert, überzeugte mit präziser Technik und künstlerischer Reife in Beethovens Viertem Klavierkonzert. Eine sehr zarte und lyrische Gestaltung verband sich hier mit feinen, empfindsamen Farbschattierungen, vor allem im langsamen Satz. Der Dialog mit dem Dirigenten wirkte sehr innig, geradezu kammermusikalisch. Es überrascht nicht, dass Simon Haje den vom Ensemble bestimmten Orchesterpreis erhielt.
Haje präsentierte sich als feinnerviger Intellektueller. Jedoch wirkten seine sorgfältig modellierten Phrasen zuweilen perfektionistisch und sogar etwas manieriert; es fehlte an unbefangener Spielfreude und Spontaneität.

Paul Lecocq
(c) Laetitia Gesler
Der mit 25.000 Schweizer Franken dotierte Erste Preis sowie der Publikumspreis gingen an den 20-jährigen Franzosen Paul Lecocq, der am Pariser Conservatoire studiert. 2023 erhielt er den Dritten Preis beim deutschen Euregio Piano Award.
Beethovens Drittes Klavierkonzert meisterte Lecocq mit großer Präsenz und klarer Artikulation. Er arbeitete die pathetische Wucht des Werks heraus, bewies aber auch Feinfühligkeit in den lyrischen Passagen. Die Interpretation erschien geradlinig und zupackend. Kleinere Fehler und das Fehlen wirklich leiser Nuancen minderten die Gesamtwirkung leicht.
Der Dritte Preisträger, Seungho Chung aus Südkorea, gehörte mit seinen 15 Jahren zu den jüngsten Kandidaten – und wohl auch zu denen, mit den kleinsten Händen. Er studiert in seiner Heimat an der Yewon Arts University; als „Wunderkind“ gewann er den Ersten Preis beim koreanischen Chopin-Wettbewerb und den Grand Prix Asia Tschaikowsky.
Seine Darbietung von Chopins Klavierkonzert Nr. 2 wirkte reif und selbstbewusst. Chungs natürliche, elegante Spielweise wird Chopin vollauf gerecht. Der junge Pianist bezauberte mit leuchtenden differenzierten leisen Nuancen, feinsinniger Agogik, sicherem Gespür für dramatische oder rezitativische Momente. Am Finalabend war sein Beitrag der überzeugendste.
Einen Sonderpreis für die beste Interpretation des zeitgenössischen Pflichtstücks erhielt die Südkoreanerin Yeonsoo Do, die das Halbfinale erreichte. Sie spielte ‘Le Monde des Adultes’ aus der Feder des irischen, 1985 geborenen Komponisten Sam Perkin. Dieses zehnminütige Auftragswerk des Clara Haskil Wettbewerbs ist eine Hommage an Ravel und zeichnet sich durch raunende, repetitive Tongirlanden und tonmalerische Glockenschläge aus.