Georg Friedrich Händel: Rodelinda; Jeanine De Bique (Rodelinda), Tim Mead (Bertarido), Benjamin Hulett (Grimoaldo), Avery Amereau (Eduige), Jakub Jósef Orlínski (Unulfo), Andrea Mastroni (Garibaldo), Aminata Diouaré (Flavio (als Kind)), Le Concert d‘Astrée, Emmanuelle Haïm; Inszenierung: Jean Bellorini; 2 DVDs Erato 0190295420321; Aufnahme 10/2018, Veröffentlichung 10/2019 (168') – Rezension von Uwe Krusch

Die Handlung dieser aus dem Jahr 1725 stammenden Oper ist sehr komplex und deshalb wenig ansprechend. Die Oper spielt am Königshof der Langobarden. Bertarido wurde als König von Grimoaldo vom Thron gestoßen. Letzterer versucht jetzt, Rodelinda, Ehefrau des Bertarido, als seine Frau auf den Thron zurückzuholen, was sie ablehnt. Nach opernüblichen Entwicklungen, in denen auch Freunde respektive Widersacher der Beteiligten und als zweite Frau Eduide mitwirken, kann Bertarido zu Thron und Familie zurückkehren. Die Handlung ist an geschichtlich belegte Begebenheiten angelehnt.

Das Werk wird hier aus der Sicht oder Phantasie des Sohnes Flavio des Königspaares dargestellt, was sich in der zeitweiligen Anwesenheit eines Kindes auf der Bühne bzw. seiner Mimik im Film spiegelt. Damit führt Regisseur Jean Bellorini seine eigene Sicht auf das Werk deutlich vor. Da der Sohn auch als Druckmittel des werbenden Grimoaldo geeignet ist, kommt ihm tatsächlich eine wichtige Position zu.

Das Kind ist insofern Dreh- und Angelpunkt, da Rodelinda zwischen der Treue zu ihrem Mann und der Liebe zu ihrem Kind pendelt. Seine Sicht wird dadurch unterstrichen, dass die Agierenden wie Riesen erscheinen, werden doch die Palasträume en Miniatur im Vordergrund auf einem Laufband vorbeigereicht, so dass die Menschen übergroß erscheinen.

Bühne und Kostüme changieren zwischen modern lässig und historisch angehaucht und geben dem traumhaft poetisch wirkenden Bühnengeschehen etwas überzeugend Leichtes. Mitunter mit Masken bedeckte Gesichter bzw. Handmarionetten geben dem Geschehen etwas Fantasiehaftes. Damit werden auch theaterhafte Eigenheiten angedeutet wie Heimlichtuerei und manipulative Charaktere; oder auch nur kindliche Gedankenspiele?

Auf der Bühne der Oper Lille, von wo die Aufzeichnung stammt, wird Rodelinda mit ihren Sorgen und Nöten poetisch und zugleich als starke Persönlichkeit gezeigt. Die Riege der Singenden ist bemerkenswert.

Rodelinda wird von Jeanine de Bique gespielt und gesungen. Sie zeigt sich als hochmütige Person, die ihren Sopran mit starkem Timbre gestaltet. Überzeugend kann sie mit ihrer gut projizierten Stimme die Leiden und Leidenschaften darstellen. In der Mitte ist die Stimme dicht und warm, in der Höhe etwas kühler und weniger biegsam. Sie könnte flexibler agieren, so aber verdeutlich sie umso mehr die Widersprüche und Qualen.

Bertarido, geliebter Ehemann, hat mit Tim Mead eine sehr schöne Stimme und charismatische Präsenz an ihrer Seite erhalten. Seine Countertenorstimme mit samtigen Timbre ist kraftvoll und leuchtend, die mit brillanten Höhen und tiefen Tönen nicht geizt. Der Sänger bietet eine ausgefeilt nuancierte Interpretation, die begeistert. Das Duo Io t’abbraccio mit Jeanine de Bique ist einer der markantesten Momente.

In den Nebenrollen verleiht Benjamin Hulett dem Grimoaldo die ganze Energie seiner Tenorstimme und überzeugt so als reuiger Thronräuber. Avery Amereau spielt mit ihrem Mezzosopran, zeigt mit einer weichen Mittellage und verführerischen Bässen den Charakter von Eduige. Unulfo profitiert von Jakub Jozef Orlinski, der frisch und begeisternd singt und agiert. Der Countertenor bezeugt einmal mehr mit seinen Qualitäten. Seine Stimme ist hoch, aber nicht schrill, und man darf ein weiches Timbre genießen. Dazu kommt eine körperliche Leichtigkeit und die Fähigkeit, sich anmutig zu bewegen; man merkt ihm an, dass er auch Tänzer ist. Ob diese auch ein wenig komische angelegte Rolle in einer reinen Tragödie am Platz ist, mag man diskutieren. Garibaldo schließlich, hier der Bassist Andrea Mastroni, gefällt mit überraschend dunkler und dichter Stimme.

Das Concert d’Astrée unter der sorgfältigen und engagierten Leitung von Emmanuelle Haïm bietet dazu eine homogene Klangmatte.

Das Ensemble bietet damit eine Aufführung, die den Zuschauer die Musik und den Gesang in vollen Zügen genießen und das schwierige Libretto vergessen lässt.

Handel’s Rodelinda is presented here from the perspective of the royal couple’s son Flavio, which is reflected in the temporary presence of a child on the stage or his facial expressions in the film. Director Jean Bellorini thus clearly presents his own view of the work. The child’s view is underlined by the fact that the actors appear like giants, as the palace rooms in miniature are passed in the foreground on a treadmill, so the actors appear oversized.
Stage and costumes alternate between modern, casual and historical and give the dreamlike, poetic stage events something convincingly light. Sometimes faces covered with masks or hand marionettes add some fantasy. Rodelinda gets here a rather poetic character and at the same time as a strong personality. The singers are remarkable. The Concert d’Astrée under the careful and dedicated direction of Emmanuelle Haïm offers a homogeneous sound. So this is a performance that lets the audience enjoy the music and the singing and forget about the difficult libretto.

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