André Jolivet: Complete Works for Flute Vol. 2; Suite en concert (Flute Concerto No. 2) + Alla rustica + Pipeaubec + Sonatine pour Flûte et Clarinette +  Pastorales de Noël + Une minute trente + Petite Suite + Concerto no. 1; Hélène Boulègue, Flöte, Olivier Dartevelle, Klarinette, David Sattler, Fagott, Jean-Christophe Garzia, Bratsche, Anaïs Gaudemard, Nicolas Tulliez, Harfe, Marc Aixa Siurana, Rachel Xi Zhang, Laurent Warnier, Dominique Vlesshouwers, Schlagzeug, Streicher des Orchestre Philharmonique du Luxemburg, Gustavo Gimeno; 1 CD Naxos 8.574079; Aufnahmen 2018/2019, Veröffentlichung 03/2020 (76’19) - Rezensionen von Guy Engels + Alain Steffen

Guy Engels – Hélène Boulègue hat die Latte diesmal noch höher gelegt, den Sprung gewagt und mit Bravour geschafft. Nachdem sie für die erste Jolivet-CD das Gesamtwerk für Flöte und Klavier eingespielt hatte, waren die Herausforderungen für diese Aufnahme ganz andere. Die Flötistin ist immer wieder in neuen Konstellationen zu hören, von der Besetzung mit vier Schlagzeugern bis zum Konzert mit Streichorchester. Ebenso ist die stilistische Bandbreite der Werke beachtlich, Werke, die zum Teil rund 30 Jahre auseinanderliegen und zeigen, wie André Jolivet neue musikalische Strömungen aufgegriffen hat.

Es galt also für jedes Werk, den richtigen Ton zu treffen, aus jeder Komposition quasi eine eigene Geschichte zu machen, und mag sie noch so kurz sein, wie z.B. Une minute trente für Flöte und Schlagzeug. Hier spielt Hélène Boulègue ihre Stärken aus, in ihrer ganzen musikalischen Wandlungsfähigkeit.

In der Suite en concert findet sie die perfekte Balance zwischen den rhythmischen Strukturen, dem Klang der Schlagzeuger und den intimen, lyrischen Perioden (2. Satz). Pibeaubec wiederum fußt auf Volksmusik, die hier allerdings nie plakativ zur Schau gestellt wird. Das gilt ebenso für die früheren, introvertierten Pastorales de Noël. Gerade bei Jolivets Kompositionen aus den 40er Jahren wechselt Hélène Boulègue spielend zu einem weniger scharfen, weniger kräftigen und eher sensiblen Klang.

Nebst ihrem eigenen Gespür für Klangfarben, Phrasen und musikalische Strukturen, zu ihrer technischen Meisterschaft und ihrem geschmeidigen, klaren Ton, kann Hélène Boulègue sich in dieser Aufnahme auf exzellente Partner verlassen, bis hin zu den Streichern des Philharmonischen Orchesters Luxemburg und seines Chefs Gustavo Gimeno.


Alain Steffen – Nachdem die französische Flötistin und Gewinnerin der Kobe International Flute Competition 2017, Hélène Boulègue, bereits mit ihrer ersten Jolivet-CD begeistert hatte, folgt nun der zweite Teil ihrer Gesamtaufnahme der Flötenwerke des französischen Meisterkomponisten, der ohne Zweifel zu den interessantesten Künstlern Frankreichs im 20. Jahrhundert zählt. Insgesamt acht Werke stellt uns Hélène Boulègue vor, Werke die jedes für sich eine eigene und eigentlich unverwechselbare Sprache sprechen.

Wer freilich denkt, dass Jolivets Flötenkompositionen leichte Kost sind, wird hier eines Besseren belehrt. Der französische Komponist reizt die Möglichkeiten der Flöte manchmal bis in die Extreme aus und überrascht jedes Mal durch außergewöhnliche Instrumentenkonstellationen.

Den Rahmen bilden die beiden Flötenkonzerte; das erste stammt aus dem Jahre 1949 und ist für Flöte und Streichorchester komponiert, das zweite ist von 1965 und durch die Kombination von Flöte und vier Schlagzeugen sehr experimentell und originell. Und immer wieder kombiniert Jolivet sein Lieblingsinstrument mit Schlagzeug, Klarinette, Bratsche, Fagott und Harfe. Alleine durch diese unterschiedlichen Klangwelten kommt nie Langeweile auf, und der Hörer, hat er sich einmal auf die komplexe und ungewöhnliche Sprache eingelassen, wird reich belohnt, zumal das was er hört, wirklich außergewöhnlich und neu ist.

Hélène Boulègue erweist sich wieder einmal als Meisterinterpretin und absolute Virtuosin auf ihrem Instrument. Man spürt ihre Hingabe in jedem Werk und die Freude und Leichtigkeit im Spiel machen das Zuhören zu einem wahren Vergnügen. Die technisch wie interpretatorisch höchst versierte Flötistin des Orchestre Philharmonique du Luxembourg hat dann auch Verstärkung aus den eigenen Reihen bekommen. Die Streichergruppe des Orchesters unter Chefdirigent Gustavo Gimeno begleitet Hélène Boulègue im 1. Flötenkonzert, während der Klarinettist Olivier Dartevelle und der Fagottist David Sattler in der Sonatine resp. Pastorales de Noël zu hören sind. Nicolas Tulliez, ehemaliger Musiker des Philharmonischen Orchesters Luxemburg, ist in zwei Werken zu hören. Das absolut hochkarätige Ensemble wird durch vier exzellente Schlagzeuger (Siurana, Zhang, Warnier, Vlesshouwers), den Bratschisten Jean-Christophe Garzia und die talentierte Harfenistin Anaïs Gaudemard auf höchstem Niveau ergänzt. Produzent Marco Battistella und Tonmeister Maurice Barnich garantieren für  bestmögliche Klangqualität, Transparenz und optimale Dynamik.

With a varied program showing the flute in various instrumental constellations, Hélène Boulègue once more proves her incredible talent in a seemingly effortless, playful virtuosity. No less remarkable is her versatility in approaching such a mixed program. She has the right way for every single piece. Even the not so easily accessible works are played with such a distinction and such a commitment that they become immediately appealing and offer unexpected pleasure.

 

Zum Interview mit Hélène Boulègue geht es hier.

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