Gidon Kremer
Photo: Sasha Gusov

Dass der Geiger Gidon Kremer seine Probleme mit der Kommerzialisierung des Musikbetriebs hat, ist gewusst. Spätestens nach seinem offenen Brief zur Absage seiner Verbier-Konzerte im Jahre 2011 hat er sich definitiv von der Eventkultur verabschiedet. Nun hat er seine Überlegungen in Buchform gebracht: ‘Briefe an eine junge Pianistin’ ist aus einer Bekanntschaft mit einer Musikerin entstanden.

Das Gespräch nach einem Konzert veranlasste ihn, ihr zehn Briefe zu schreiben: Briefe über die Kunst und den Verrat, den sie an ihrem Talent beginge, wenn sie sich von der Karriere verführen ließe: « Das Spiel ist gefährlich, und auch der Weg », schreibt Kremer, und fährt fort: « Auf dem Markt zu sein, sich von anderen einschätzen und verkaufen zu lassen, ihrer Wahl, ihren Absichten, den Versprechungen der Manager oder dem Geschmack des Publikums zu vertrauen – all das kann man nur, solange die Lust am Glücksspiel größer ist als der Wunsch, ‘Gutes zu bewirken’, denn davon haben Sie, als Ihrem Ziel, überzeugend gesprochen. (…) Warum es verheimlichen? Ich habe mich in meiner Jugend auch von Ambitionen leiten lassen. Habe nicht immer verstanden, Versuchungen zu widerstehen. Natürlich. Ich hielt es lange für wichtig, an von Publizität und Starruhm strotzenden Festivals teilzunehmen. Ich glaubte, es sei eine Ehre, im renommierten Salzburg eingeladen zu werden, oder im Schweizer Verbier mit meiner Teilnahme meine Freunde zu unterstützen. Nichts dergleichen. Blind folgte ich dem Rausch des ‘beau monde‘ oder den Ambitionen der Veranstalter, möglichst viele Stars mit ‘Namen‘ zusammenzubringen und sie nach kürzester Probenzeit gemeinsam auftreten zu lassen – das diente weit mehr dem ‘Jahrmarkt der Eitelkeiten‘ als der Musik. Die Schlacht mit den eigenen Zweifeln und Versuchungen ist in Wirklichkeit nur dann zu gewinnen, wenn das Ziel und auch das Ergebnis nichts mit Selbstbeweihräucherung zu tun haben. »

Und so schlussfolgert der Geiger resigniert: « Persönlichkeiten unter Künstlern sind heutzutage viel seltener als Menschen ohne Handy“. Die Namen Netrebko, Villazòn und Lang Lang bezeichnet Kremer als Symbole für eine « Krankheit, die uns alle angreift und unmerklich vergiftet ». Doch er hat auch Alternativen, nennt Namen wie Nicolas Altstaedt, Alina Ibragimova, das Cuarteto Arriaga oder den russischen Pianisten Daniil Trifonov…

Gidon Kremer: „Briefe an eine junge Pianistin“, Verlag Braumüller.

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