Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg; Helene Schneiderman (Kurfürstin), Vera-Lotte Böcker (Prinzessin Natalie), Robin Adams (Prinz von Homburg), Stefan Margita (Friedrich Wilhelm), Moritz Kallenberg (Graf Hohenzollern), Michael Ebbecke (Feldmarschall Dörfling), Friedemann Röhlig (Obrist Kottwitz), Staatsorchester Stuttgart, Cornelius Meister; 2 CDs Capriccio C5405; Aufnahme 03/2019, Veröffentlichung 06/2020 (107'57) – Rezension von Uwe Krusch

Hans Werner Henzes Oper Der Prinz von Homburg auf einen Text von Heinrich von Kleist, den Ingeborg Bachmann für das Libretto aufbereitet hat, handelt von einem Träumer. Dieser Prinz von Homburg beschäftigt sich, während der Angriffsplan für die Schlacht verkündet wird, mit dem roten Handschuh der Nichte des Kurfürsten, seines Kriegsherrn. Der Handschuh erinnert ihn an einen Traum, in dem er die schöne Prinzessin als seine Braut angesprochen hatte. Entsprechend verwirrt, leistet sich der Prinz dann bei der Schlacht den schlimmen Fehler, schon vor Empfang des Befehls zum Angriff zu blasen. Zwar gelingt ihm damit ein militärischer Erfolg, aber er wird dennoch zum Tode verurteilt. Nur weil er schließlich seine Verfehlung eingesteht und sich einsichtig zeigt, entgeht er der Vollstreckung und bekommt obendrein tatsächlich Prinzessin Natalie als Braut.

Henze hat dieses bereits 1960 entstandene, Stravinsky gewidmete Werk 1991 überarbeitet, und diese stringenter geformte Version erklingt hier. Für Henze ist es so etwas wie eine Utopie: Nicht Sach- und Systemzwänge, weder Funktionen noch Dienstgrade bestimmen die Beziehungen der Menschen, sondern Träume, Gefühle und Unachtsamkeit. Diesen Traum genießt Henze mit Zwölftontechnik, verzwickten Rhythmen, metrischen Wechseln, großen Klangfarben und Virtuosität.

Cornelius Meister, dessen erstes Operndirigat Henzes Pollicino war, lässt die Muskeln spielen und mildert den Furor zwischen Zwölftontechnik und Seriellem kaum. Und er hält das Geschehen und die Mitwirkenden in Dauerspannung. Allerdings baut er die Steigerungen, gerade beim Kriegsbild, sehr schnell auf, so dass die großformatigen Ensembles wenig differenziert geraten. Aber er arbeitet andererseits die Belcanto- Momente heraus und lässt so den Gesangsstimmen ihren Freiraum.

Prinzessin Natalie von Vera-Lotte Böcker ist mit ihrer wunderbaren Höhe äußerst präsent. Helene Schneiderman zeigt eine robuste Kurfürstin. Die drei männlichen Hauptrollen rangieren, was Diktion und Phrasierung angeht, gleichwertig nebeneinander. Moritz Kallenberg als Graf Hohenzollern ist ein beweglicher, ungemein präzise singender Tenor. Robins Adams’ Homburg erklingt mit markantem Bariton, zeigt aber auch introvertiert sensible Momente.

Stefan Margita zeigt sich als Kurfürst ungeheuer präsent, artikuliert klar rhetorisch gehärtet und gibt seinen Gesangslinien Schwerelosigkeit. Stets behaupten sich die Menschen gegenüber dem Apparat. Die Aufführung wird von dem singenden Ensemble getragen, das sich den hohen Anforderungen des Werkes bereitwillig gewidmet zu haben scheint.

In its 1991 version this opera is somehow utopic: dreams, feelings and carelessness determine human relationship, not material and systemic constraints, not functions and ranks. Henze uses twelve-tone technique, tricky rhythms, metric changes, great colours and virtuosity.
Cornelius Meister’s conducting is forceful and tense. But on the other hand, he works out the bel canto moments and thus allows the singing voices their freedom.
Princess Natalie of Vera-Lotte Böcker is extremely present with her wonderful height. Helene Schneiderman is a robust electoress. The three male leading roles are equal in terms of diction and phrasing. Moritz Kallenberg as Count Hohenzollern is an agile tenor who sings with extraordinary precision. With a striking baritone voice, Robins Adams gives Homburg a good profile without neglecting the more introverted sensitive moments. Stefan Margita is an excellent Prince Elector. So this performance is clearly winning through the outstanding soloists.

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