Serge Prokofiev: Symphonien Nr. 1-7 + Symphonisches Konzert e-moll op. 125 für Cello & Orchester + Klavierkonzerte Nr. 1-5 + Violinkonzerte Nr. 1 & 2 + Skythische Suite op. 20 Ala & Jolly + Kantate op. 30 + Kantate op. 74 Zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution + Kantate op. 78 Alexander Nevsky + Oratorium op. 116 Iwan, der Schreckliche; Dokumentation Prokofiev - On the Way; Daniil Trifonov, Denis Kozhukhin, Denis Matsuev, Kristof Barati, Leonidas Kavakos, Olga Borodina, Mikhail Petrenko, Chorus of the Mariinsky Theatre, Orchestra of the Mariinsky Theatre, Valery Gergiev; 4 Blu-ray Discs Arthaus Musik 4058407093305; Bild 16:9; Stereo & Surround; Live- Aufnahmen 23. & 24. 04/2016; Veröffentlichung 31/05/2018 (785') – Rezension von Remy Franck

Ohne den Film über Prokofiev, der auf der vierten Blu-ray dieses Sets zu sehen ist, enthält die Box ca. elfeinhalb Stunden Musik. Das heißt, das ‘Mariinsky Orchester’ saß an den beiden Tagen (zwei Tagen, sic!), an denen Prokofievs sämtliche Symphonien, Konzerte und Kantaten (20 Kompositionen) live in Moskau und St. Petersburg aufgezeichnet wurden, ca. 13 Stunden auf der Bühne und wurde während elfeinhalb Stunden von Valery Gergiev dirigiert. Das entspricht sieben normal langen Konzerten, die der Dirigent und das Orchester an zwei Tagen – nebst einer Reise von Moskau nach Petersburg – zu absolvieren hatten. Das ist ein Marathon, das vielleicht beeindruckend lang ist, aber künstlerisch unverantwortlich und kaum geeignet für gute Leistungen. Das akustische Ergebnis ist dementsprechend ausgefallen.

Denis Kozhukin eröffnet das Programm mit dem Ersten Klavierkonzert. Er spielt es mit vibrierender Kraft, aber auch fein differenziert und hoch musikalisch. Kozhukin ist eigentlich genau das Gegenteil von dem stur-brutal und undifferenziert gradlinig gestaltenden Denis Matsuev, der das 2. Konzert roboterhaft spielt, als gelte es einen Kraftrekord aufzustellen. Matsuev ist gewiss einer der unmusikalischsten der bekannten russischen Pianisten, so gut er auch technisch sein mag. Die Orchesterleistungen in beiden Konzerten sind akzeptabel, Gergievs Dirigat ist, sagen wir mal, umsichtig.

Die ‘Skythische Suite’ zeigt Gergiev auf dem Tiefpunkt seines Könnens. Das Orchester macht Dienst nach Vorschrift, monochrom und uninspiriert. Auch die Erste Symphonie ist ein todtrauriges Zeugnis Gergievscher Uninspiriertheit. Und das Orchester klingt in diesem Mitschnitt auch nicht wirklich gut, außer vielleicht im letzten Satz, der auch vom Dirigenten am besten geraten ist. Dass der Dirigent so etwas veröffentlichen lässt, zeigt, dass er den Sinn für Kunst verloren hat.

Leonidas Kavakos ist ein wirklich hoch sensibel gestaltender Solist im 1. Violinkonzert, und Gergiev läuft mit ihm zu großer Form auf, kleidet das feine und brillante Spiel des Solisten in einen spannungsvollen Orchestermantel.

Auch die Aufnahme des 3. Klavierkonzerts ist sehr gut, nicht nur weil Daniil Trifonov einen absolut phänomenalen Solopart hinlegt, grandios rhetorisch, pianistisch von sagenhaftem Reichtum und technisch stupend. Diese Energie überträgt sich nämlich auch auf den Dirigenten und das Orchester, die ihn adäquat begleiten.

Es folgen dann noch zwei routiniert dargebotene Aufnahmen der Zweiten und der Dritten Symphonie, denen allen beiden der letzte Schliff fehlt.

Die Vierte Symphonie hat Höhen und Tiefen und kann nicht mit den besten Aufnahmen anderer Dirigenten konkurrieren.

Zu den eindeutigen Erfolgen dieser Reihe gehört das Vierte Klavierkonzert, das Konzert für die linke Hand, das Prokofiev für Paul Wittgenstein komponierte. Der 1991 geborene russische Pianist Sergei Redkin spielt es sehr souverän, und Gergiev kleidet den üppigen Klavierklang in ein sorgfältig strukturiertes und gefärbtes Klangbild.

Das Fünfte Klavierkonzert wird von Vadym Kholodenko gespielt und vom Orchester etwas zögerlich begleitet. Warum, das ist ersichtlich: Gergiev lässt kein Auge von der Partitur und liest sie, als habe er sie schon lange nicht gesehen. Das ergibt ein Dirigieren, das das Orchester gerade mal zusammenhält, aber nicht wirklich inspiriert.

Im Vergleich mit anderen Aufnahmen ist die Kantate ‘Alexander Nevsky’ eine Verkümmerung dieser Partitur, die hier bis zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Gergiev schafft weder das Farbenspiel, das der Musik Klangpracht geben könnte, noch den inneren Zusammenhang. Der Chor ist ungemein schlecht ausbalanciert, die Damen hört man kaum.

Die dritte Blu-Ray läuft auf mehreren von uns benutzten Playern nur bis zum Menü, von dem aber auch nur das Titelfoto angezeigt wird und keine Werkauswahl, so dass wir diese Platte nicht besprechen konnten.

Die vierte Blu-ray enthält einen originellen, wenn auch letztlich etwas verwirrenden Film von Anna Matison, der Informationen aus Prokofievs Tagebuch mit dem Ablauf der Tournee des Mariinsky Orchesters während des Osterfestivals verbindet.

The video recordings from Gergiev’s singular Prokofiev marathon – eleven and a half hours of music played in just 2 days – has good moments and a lot of routine.

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