Manfred Trojahn: Orest; Dietrich Henschel, Sarah Castle, Romy Petrick, Rosemary Joshua, Netherlands Philharmonic Orchestra, Marc Albrecht; 2 SACDs Challenge Classics CC72605; Live 2011 (76') – Rezension von Remy Franck

Manfred Trojahns Oper ‘Orest’ wurde 2011 an der ‘Nederlandse Opera’ in Amsterdam uraufgeführt. Die vorliegende Aufnahme ist ein Mitschnitt, zusammengesetzt aus zwei Aufführungen. In ‘Orest’ liefert  Manfred Trojahn (geb. 1949) in einem eigenen Libretto seine Sicht auf den Mythos vom Muttermörder. Bei ihm ist Orest ein Gefangener: er ist gefangen innerhalb der Grenzen, die ihm das Schicksal setzt, innerhalb einer Stadt, in der ‘jeder trauert und hasst’. Orest ist ein Leidender, in dessen Kopf die Schuld wütet. Die Vision von einem neuen Leben erfüllt sich für ihn nicht, wie Trojahn sagt: « Er macht nur einen Fehler: er meint, er könne die Schuld hinter sich lassen – und er wird erst spät bemerken, dass er mit der Schuld zu leben hat, um sie zu überwinden. »

Neben Orest gibt es in dieser Oper drei weibliche Figuren, Helena, Hermione und Elektra, Orests Schwester, die ihn zum Mord an der Mutter wie an der Schwester anstiftet, sowie Apollo und Dionysos, « die zwei Seiten einer Figur darstellen: der politische Zyniker und der sinnliche Verführer. »

Musikalisch wichtig weil besonders ausdrucksstark sind sechs Frauenstimmen, zuweilen gekoppelt an sechs Soloviolinen: « Ich habe vermieden, sie als Erynnien zu bezeichnen, denn ich denke eher an psychische Vorgänge ‘in’ Orest als an mythische Fabelwesen. Und sie sind auch die multiplizierte Stimme Klytaimnestras. Diese Musik kehrt immer zurück, wenn Orest von seinen Gewissensqualen erreicht wird.“ Der Schluss der Oper bleibt offen: « Ob Orest den Weg gefunden hat? Ich kann es nicht beantworten. Wie alle meine Opernhelden geht er am Schluss fort, ohne uns eine Antwort auf unsere Fragen zu geben.“

Dieses starke Libretto findet in der Musik Trojahns eine starke, brennend intensive Ausdruckskraft, die die konfliktuellen Gefühle von Angst, Hass, Rachelust und Schuld sowohl in den durchaus auch lyrischen Stimmen wie im effektvoll illustrativ und stimmungsfördernd arbeitenden Orchester hörbar macht. Marc Albrecht dirigiert diese Musik ungemein zwingend, und die Solisten sind ohne Ausnahme erstrangig, allen voran Dietrich Henschel, der sehr textverständlich singt und die Zerrissenheit der Titelfigur hervorragend darstellt – und so auch an Wozzeck erinnert, den er ja schon so oft überragend dargestellt hat.

Manfred Trojahn’s ‘Orest’ focuses on the guilt feelings of the man who murdered his mother and murders Helena as well, pushed by Elektra, his sister. Marc Albrecht conducts the dramatic music of that tragedy in a terrific performance, with excellent singers, Dietrich Henschel being the most  impressive one in a role that reminds his Wozzeck performances, one of Henschels’ principal roles.

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