Solo II; Bach: Suiten für Cello Nr. 3 C-Dur und Nr. 4 Es-Dur, Kurtag: 6 Stücke aus Sings, Games and Messages; Tabea Zimmermann, Bratsche; 1 SACD Myrios MYR026; Aufnahme 06/2018, Veröffentlichung 02/10/2020 (49'35) – Rezension von Uwe Krusch

Die Übertragung von Bachs Cello-Solosuiten auf die Bratsche findet immer wieder dankbare Interpreten. Aktuell hat sich Tabea Zimmermann der dritten und vierten Sonate angenommen, nachdem sie vor zehn Jahren die ersten beiden aufgenommen hat. Im Unterschied zu den Solosonaten und Partiten für die Violine haben diese Suiten durchgehend die gleichen Satzstrukturen. Wenn man allerdings daraus auf eine Gleichförmigkeit schließen wollte, hat man das kompositorische Vermögen von Johann Sebastian Bach total verkannt.

Die Beherrschung ihrer Bratsche ist bei Tabea Zimmermann so selbstverständlich wie bei anderen Menschen das Atmen. Mit einem überwältigend schlichten und zugleich lebendigen Zugriff lässt sie die beiden Suiten rhetorisch aufleben. Mit zauberhaft leichtem Zugriff folgt sie ihrem eigenen Interpretationsansatz, der sicher jede Interpretationsschule kennt, aber keiner streng folgt.

Das Aufnahmeteam hat ihre Darbietungen mit einem deutlichen Hall wie in einer Kirche eingefangen. Das wirkt bei einem Soloinstrument aber eher befreiend und bringt die Musik zum Schweben, als dass es einen unangenehm dicken Eindruck hinterließe.

Der Vorteil der Bratsche gegenüber dem Cello ist die einerseits trotzdem noch sonore Färbung wie beim Cello und andererseits die größere Beweglichkeit. Während bei Cellisten oft noch Geräusche des Instruments mit zu hören sind, gelingt es Zimmermann, hier völlig frei von technischen Nebentönen zu agieren. Durch ausgeklügelte Artikulation, die von den Originalen kaum festgelegt ist und eine sensible Detailarbeit mit Blick auf musikalische Rhetorik bringt sie beide Kompositionen zum Sprechen. Ihre Darbietung zeigt die Werke beschwingt und geschmeidig, was sich auch in einer flexiblen Handhabung von Verzierungen und der Phrasierungen zeigt.

Bereits die Nacktheit dieser Suiten bedarf einer gedankenvollen Auseinandersetzung mit der Musik, die hier ohne Zweifel gelungen ist. Noch kürzer, in ihrer reduzierten Art prägnanter und damit in der Kürze der jeweiligen Stücke noch schwieriger zu gestalten sind die Zeichen, Spielen und Botschaften von Kurtag. Das fängt schon damit an, dass jeder Künstler zunächst festlegen muss, welche Auswahl er trifft, da Kurtag dies den Interpreten als Aufgabe mit auf den Weg gegeben hat. Zimmermann wählt sechs der 24 Stücke aus, die in ihrer Fokussierung dennoch ganz unterschiedliche Kosmen öffnen. Sie hat Klagendes Lied, Zank-Kromatisch, Doloroso, Im Volkston, ‘eine Blume für Tabea…’ und In Nomine – all’ongherese´ gewählt, deren tiefere Schichten sich schon in den Titeln andeuten.

Diese rhythmisch freien und dramatisch zugespitzten, ja eigentlich möchte man sie Splitter nennen, legt sie ebenso artikuliert und sensibel vor, obwohl sie gerade im Gegensatz zu der organisatorischen Strenge bei Bach zu stehen scheinen. Und doch, auch bei dem ihr gewidmeten ‘eine Blume für Tabea…’ gelingt es ihr, die Zuhörer zu bannen und vergessen zu lassen, dass diese seit 1989 entstandenen Werke von einem in seiner Singularität nicht eben zugänglichen Komponisten stammen. Diese Brücke zwischen den beiden Suiten kann man ohne Bedenken betreten.

The transfer of Bach’s Cello Suites to the viola always finds grateful interpreters. Tabea Zimmermann plays now the third and fourth sonatas, after having recorded the first two ten years ago. In contrast to the solo sonatas and partitas for violin, these suites have the same movement structure throughout. However, if one were to conclude from this that they are uniform, one would have completely misjudged the compositional ability of Johann Sebastian Bach.
Tabea Zimmermann’s mastery of her viola is as natural to her as breathing is to other people. With an overwhelmingly simple and at the same time dynamic approach, she brings the two suites rhetorically to life. With magically ease she follows her own ideas, which certainly take in account every interpretation school, but without following any of them strictly.
The recording team has captured her performances with a clear echo as if in a church. With a solo instrument this has a rather liberating effect and makes the music float rather than leaving an unpleasantly thick impression. The advantage of the viola compared to the cello is on the one hand the more sonorous colouring and on the other hand the greater mobility. Zimmermann succeeds in playing completely free of technical secondary tones, like one sometimes does hear them on the cello. Through sophisticated articulation, which is hardly defined by the originals, and a sensitive attention to detail with regard to musical rhetoric, she makes both compositions speak for themselves. Her performance shows the works to be lively and supple, which is also evident in her flexible handling of ornamentation and phrasing.
The very ‘nakedness’ of these suites requires a thoughtful examination of the music, with which Zimmermann has undoubtedly been successful.
Kurtag’s signs, games and messages are even shorter, more concise in their reduced form and thus even more difficult to formulate in the brevity of the respective pieces. This begins with the fact that each artist must first decide which one to choose, as Kurtag has given this task to the performers. Zimmermann selected six of the 24 pieces, which open up very a different cosmos. She plays Lamenting Song, Quarrelling Chromatic, Doloroso, In Folk Tone, A Flower for Tabea… and In Nomine – all’ongherese, whose deeper layers are already hinted at in the titles.
These rhythmically free and dramatically pointed, one would actually like to call them splinters, she presents them with equal articulation and sensitivity, although they seem to be in contrast to the organisational strictness of Bach. And yet, even in the case of the ‘A Flower for Tabea…’ dedicated to her, she succeeds in captivating the listener and making him forget that these works, written since 1989, are by a composer whose singularity is not exactly accessible.

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