Heroes; William Walton: Konzert für Bratsche und Orchester, Gwenaël Mario Grisi: On the Reel für Viola & Orchester, Sergej Prokofiev: Romeo & Julia für Viola und Orchester; Adrien La Marca, Viola, Orchestre Philharmonique Royal de Liege, Christian Arming; 1 CD La Dolce Volta LDV 75; Aufnahme 07/2019, Veröffentlichung 02/10/2020 (79'34) – Rezension von Uwe Krusch

Heutzutage ist die Zahl bekannter und guter Bratschisten Legion. Sie alle beherrschen ihr Instrument und wissen durch Einsatz und Kompositionsaufträge das ausbaufähige Repertoire für ihr Instrument noch zu erweitern. Adrien La Marca hat das auf zweifache Weise getan. Neben einem Klassiker des Metiers, dem Bratschenkonzert von William Walton, hat er ein Werk als Kompositionsauftrag vergeben. Daraus hat sich On the Reel von Gwenaël Mario Grisi entwickelt. Außerdem hat er die von Prokofiev genehmigte Suite für Bratsche und Klavier aus Romeo und Julia genommen und unter Beibehaltung der Bratschenstimme den Klavierpart von Jean-Pierre Haeck für ein Orchester bearbeiten lassen. Diese Version erklingt also ebenfalls erstmals auf CD. Alle drei Werke stehen im Zusammenhang mit der Residenz von La Marca beim Lütticher Orchester.

La Marca sieht die Viola jeweils als Heldin, die Geschichten erzählt. Und da wir gerade bei Geschichten sind, für La Marca haben alle Werke auch etwas von Filmmusik. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen, als alle drei Komponisten für dieses Medium komponiert haben. So sind bei Prokofiev etwa die Musik zu Leutnant Kishe und Alexander Newski bekannt, bei Walton sind es beispielsweise Shakespeare-Verfilmungen. Der 1989 geborene Grisi ist sowieso primär Komponist für dieses Genre.

Sein On the Reel ist ein Konzert für Viola und Orchester, das sehr stark von der Welt des Kinos inspiriert ist. Er hat recherchiert, dass bestimmte Filmstrukturen wiederkehrend sind. Darauf basiert die Musik. Sie handelt von einem Helden, der sich bedroht fühlt, was sich bis zur Konfrontation steigert. Es folgen Scheitern, Momente der Qual, Selbstzweifel. Erst dann nimmt der Held sein Schicksal in die Hand und stellt sich dem Feind, bis er siegt. Die Besetzung ist auf etwa 60 Musiker beschränkt, um zu gewährleisten, dass die Bratsche zu hören ist. Für den Solopart sind Momente der Zärtlichkeit, der Emotionen, der Spannung und des Konflikts komponiert, gewürzt mit einem virtuosen Hauch. Die musikalischen Themen passen sich der Geschichte kontextuell wie ein Chamäleon an. Das Konzert ist also ein Musikfilm ohne Pause.

Mit seinem zweiten Album gestaltet Adrien La Marca also wiederum eine Erzählung, hier in drei Teilen. Sein technische Fingerfertigkeit und Bogenbeherrschung sind ausgereift, wie es sich für einen Helden gehört. Auch sein Erzählstil ist von überzeugendem Selbstbewusstsein geprägt. Er lässt den Handlungssträngen ihre Freiheiten und entwickelt sie in einem Fluss. Die Bratsche ist auf der Aufnahme prominent hervorgehoben.

Das Königliche Philharmonische Orchester Lüttich unter seinem früheren Chef Christian Arming hat sich immer wieder mit einem anderen Solisten zusammen getan, um Einspielungen wie diese zu schaffen, was meistens sehr erfreuliche Ergebnisse zeitigte. So gelingt auch hier eine enge und lebhafte Unterstützung des Solisten, bei der das Orchester sich aktiv in die Erzählungen einmischt und die Umwelt aufleben lässt.

Auch die Aufnahmetechnik hat sich dem filmischen Konzept angenommen. Der Klang ist kinohaft zwar sehr gut strukturiert und durchscheinend. Aber er ist auch cinemascope-artig volumig und strahlend, was bei On the Reel und auch noch beim Konzert von Walton auffällt, aber auch noch funktioniert. Bei Prokofiev ist mir diese Hörweise aber deutlich zu sehr Sahnehaube mit Schokostreuseln, Smarties und Früchten verziert. Eigentlich ist diese Suite in sechs Sätzen aus Romeo und Julia eine spannende Angelegenheit. Denn die sonore Bratschenstimme verleiht dieser Erzählung eine mehr geerdete Sicht. Denn gerade dieses Werk dient vielen Orchestern dazu, ihre Brillanz zu demonstrieren, während hier wieder die Erzählung in den Vordergrund rückt. Doch trotz dieses Anreizes wirkt hier der Klang für mich zu massig und mulmig. Das kann natürlich auch an der Instrumentierung durch Haeck liegen. Gerade Prokofiev als begnadet Instrumentierender hat seine Musik immer sehr durchscheinend gesetzt. Und das verhüllt diese dunkel timbrierte Version.

Nowadays the number of well-known and good violists is legion. They are masters of their instrument and know how to expand the repertoire through commitment and commissions. Adrien La Marca has done this in two ways. In addition to a classic, the Viola Concerto by William Walton, he has commissioned a work. This has resulted in ‘On the Reel’ by Gwenaël Mario Grisi. La Marca has also recorded the Suite for viola and piano from Romeo and Juliet, approved by Prokofiev. For this he had the piano part arranged for orchestra by Jean-Pierre Haeck, while retaining the viola part.
La Marca sees the viola as a heroine that tells stories. And while we are on the subject of stories, for La Marca, all the works also have something of a film score. This cannot be denied as all three composers composed for this medium. Prokofiev, for example, is known for his music for Lieutenant Kishe and Alexander Nevsky, Walton, for example, for his Shakespeare adaptations. Born in 1989, Grisi is primarily a composer for this genre anyway.
His ‘On the Reel’ is a concerto for viola and orchestra that is very much inspired by the world of cinema. It is about a hero who feels threatened, which increases to confrontation. Failure follows, moments of agony, self-doubt. Only then the hero takes his fate into his own hands and faces the enemy until he wins. Moments of tenderness, emotion, tension and conflict are composed for the solo part, spiced with a virtuoso touch. The concert is thus a ‘music film’ without a break.
Adrien La Marca’s technical dexterity and mastery of the bow are superb. His narrative style is also characterised by convincing self-confidence. He allows the plot lines their freedom and develops them in a flow. The viola is prominently highlighted on the recording.
The Royal Philharmonic Orchestra of Liège, under its former director Christian Arming, has teamed up with the soloist to give close and lively support, with the orchestra actively interfering in the narrative and bringing the environment to life.
The recording technique has also adopted the filmic concept. The sound is cinematic, but very well structured and translucent. But it is also cinemascope-like, voluminous and radiant. In ‘On the Reel’ and also in Walton’s Concerto this is still acceptable. With Prokofiev, however, it is clearly too much cream to me, decorated with chocolate sprinkles, smarties and fruits. Actually, this suite in six movements from Romeo and Juliet is an exciting affair. For the sonorous viola voice lends this narrative a more grounded view as usual. But despite this stimulus, the sound here seems too massive and queasy to me. This may of course also be due to Haeck’s instrumentation. Prokofiev in particular, always used a translucent orchestration for his music. And that is what this darkly timbred version disguises.

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