Fazil Say: Konzert für 2 Klaviere & Orchester op. 48 + Winter Morning in Istanbul op. 51b für Klavier 4-händig + Sonate für 2 Klaviere op. 80; Ferhan & Ferzan Önder, Klavier, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Markus Poschner; 1 CD Winter & Winter 910255-2; Aufnahmen 05/2016 & 02/2019, Veröffentlichung 05/2019 (55') – Rezension von Remy Franck

Der türkische Pianist und Komponist Fazil Say hat sich schon des Öfteren mit dem türkischen Regime angelegt. Auch seine Musik kann schon mal ganz schön politisch werden. Das gilt z.B. für seine musikalische Aufarbeitung der auf Geheiß Erdogans niedergeknüppelten Proteste zur Rettung des Gezi Parks in Istanbul im Jahre 2013.

Drei Werke hat er zu diesem Thema komponiert, das Konzert für 2 Klaviere und Orchester, die Sonate für Klavier solo und die Ballade vom Gezi Park für Sopran und Orchester.

Auf dieser CD erklingt das Doppelkonzert. Der erste Satz, der mit Abend überschrieben ist, schildert die Stimmung am 30. Mai 2013, als sich eine Menge friedlich demonstrierender Menschen im Gezi Park versammelt hatte, um die Platanen zu schützen. Im zweiten Teil, Nacht, wird Bezug genommen auf einen legendären Heiligen, der in ferner Zeit im persischen Khorasan ebenfalls einen Platanenwald verteidigt haben soll. Im dritten Teil, Polizei-Angriff, setzt die Polizei dem friedlichen Protestmeeting brutal ein jähes Ende, was die Musik außerordentlich drastisch schildert.

Das Konzert ist ein äußerst effektvolles und dramatisches Stück, in dem Say Elemente traditioneller türkischer Musik in einem neoromantischen Umfeld einbaut, das auf dieser CD spannungsvoll und brillant dargeboten wird.

Das durch Says Technik der mit der Hand angedrückten Saiten charakterisierte, im Grunde sehr romantische Stück Winter Morning in Istanbul eröffnet das Programm nicht weniger effektvoll und spannend. Abschließend erklingt Fazil Says erst 2018 entstandene Sonate für zwei Klaviere op. 80, die für Ferhan und Ferzan Önder komponiert und von ihnen im Januar 2019 uraufgeführt wurde. Das Werk hat drei Sätze ohne Tempobezeichnung und dauert knapp 20 Minuten. Da es keinerlei Textheft bei dieser CD gibt – ein klares Manko – und nirgends irgendwelche Angaben zu diesem neuen Werk zu finden sind, bleibt es dem Hörer überlassen, es zu deuten.

Der erste Satz ist drängend virtuos, mit einem ruhigeren Mittelteil, der von elektrisierender Spannung ist. Ist es eine Verfolgungsjagd, bei der sich der Verfolgte vorübergehend verstecken kann?

Der langsame Satz ist zugleich auch der längste der Sonate. Er ist lieblich und trotz einiger dunkler Wendungen eine Musik zarter Gefühle.

Das Finale ist etwas weniger bedrohlich als der erste Satz. Es beginnt schnell und endet mysteriös. Im Großen und Ganzen ist die Sonate effektvoll, spannend aber auch recht vordergründig. Das Duo Ferhan und Ferzan Önder spielt brillant.

Turkish pianist and composer Fazil Say has often fought with the Turkish regime. His music can also become quite political. This applies, for example, to his music about the protests to save the Gezi Park in Istanbul in 2013. He has composed three works on this theme: the Concerto for 2 Pianos and Orchestra, the Sonata for Piano Solo and the Ballad by Gezi Park for Soprano and Orchestra. This CD features the Double Concerto. The first movement, entitled Evening, describes the mood on 30 May 2013, when a crowd of peacefully demonstrating people gathered in Gezi Park to protect the trees. In the second part, Night, reference is made to a legendary Persian saint who is said to have defended a plane tree forest. In the third part, Police Attack, the police brutally puts an abrupt end to the peaceful protest meeting, which the music describes in an extraordinary drastic manner. The concerto is an extremely effective and dramatic piece, in which Say uses elements of traditional Turkish music in a neo-romantic environment, which is presented on this CD excitingly and brilliantly. The basically very romantic piece Winter Morning in Istanbul opens the program no less effectively and excitingly. Finally, one can hear Fazil Say’s Sonata for two pianos op. 80, which was composed for Ferhan and Ferzan Önder and premiered by them in January 2019. The work has three movements and lasts almost 20 minutes. The first movement is urgently virtuoso with a quieter middle section of electrifying tension. The slow movement is also the longest of the sonata. It is lovely and, despite a darker twist, a music of tender feelings. The finale is somewhat less threatening than the first movement. It begins dramatically and ends mysteriously. The sonata is effective, exciting but also quite superficial. The duo Önder plays brilliantly.

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