Ludwig van Beethoven: Klaviersonaten Nr. 1-32;  Fazil Say, Klavier; 9 CDs Warner Classics 01900295380243; Aufnahmen 2018/2019, Veröffentlichung 17/01/2020 - Rezension von Remy Franck

An dieser Gesamtaufnahme der Beethoven-Sonaten werden sich die Geister scheiden: sie wird Ablehnung wie Zustimmung in jeweils höchstem Maße kennen. Fazil Say lässt eben nicht unberührt. Seine extremen Gestaltungsmittel in der Dynamik und in den Tempi werden Widerspruch hervorrufen, aber auch auf Begeisterung stoßen. Sein Pedalgebrauch wird stören und gefallen. Seine Farben und Schattierungen sind ungewöhnlich, wie eigentlich alles an diesen Interpretationen, die er nicht selten mit ‘Gesang’ begleitet, weil die Musik bei ihm aus allen Poren dringt und die Gliedmaße nicht genügen, um diese Eruption tiefster Musikalität freien Lauf zu lassen.

In seinem Beethoven ist Say ein Pianist, der nicht die intellektuelle Brille aufsetzt, und sich kein Deut darum schert, ob er gefällt oder anstößt, der zwanglos seinen inneren musikalischen Trieben gehorcht. Mit häufigen dynamischen Wechseln in einem sehr gestischen Spiel mit manchmal erstaunlichen Beschleunigungen und oft heftigen Akzenten  vermittelt er Dramatik und Unruhe. Sehr oft aber zeichnet er einen gutgelaunten, augenzwinkernden Beethoven. Vieles wird so neu gewichtet, umgeschichtet und gedeutet, dass die Kontraste absolut überwältigend klingen.

Wenn ich etwas an dieser Gesamtaufnahme wirklich mag, ist es die Ursprünglichkeit und die Spontanität in Says Spiel, auch wenn hie und da nicht alles besonders klar und sauber klingt. Auch eine gewisse Portion an  Show ist in diesen oft extremen Interpretationen enthalten, aber man wird nicht leugnen können, dass Says gestalterische Freiheit einem spürbaren Künstlerwillen entspringt. Dagegen ist Pollini ein Plüschtier und Gilels ein ausgestopfter Grizzlybär.

This complete recording of Beethoven’s sonatas will know both rejection and approval to the highest degree. Fazil Say does not leave us untouched. His extreme creative dynamics and tempi will provoke contradiction, as they will meet with enthusiasm. His use of the pedal will disturb and please. His colours and shades are as unusual as everything else about these interpretations, which he often accompanies with ‘singing.
In his Beethoven, Say is a pianist who just obeys his inner musical drives and doesn’t care a straw whether he pleases or nudges. With frequent dynamic changes in a very gestural play with sometimes astonishing accelerations and often violent accents, he conveys drama and restlessness. Very often, however, he draws a good-humoured Beethoven. Many things are re-evaluated, rearranged and interpreted in such a way that the contrasts sound absolutely overwhelming.
If there’s one thing I really like about this recording, it’s the originality and spontaneity in Say’s playing, even if here and there not everything sounds particularly clear and clean. There is also a certain amount of show in these often extreme interpretations, but you can’t deny that Say’s creative freedom comes from a real artistic will.

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