Jean Sibelius: Symphonien Nr. 1 -7; Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle; 4 CDs (+ 1 Audio Blue-Ray Disc + 1 Video Blue-Ray Disc); Live-Aufnahmen 12/14 & 01-02/15, Veröffentlichung 10/2015; (80’52, 65’07, 59’45, 21’48) Rezension von Alain Steffen

Ich konnte mich in den letzten Jahren sehr wenig für Sir Simon Rattles Einspielungen begeistern und denke, dass er in seinen diversen Zyklen der Symphonien von Beethoven, Brahms und Schumann kaum Interpretationsgeschichte geschrieben hat. Im Gegensatz zu diesem wilden, engagierten und phantasievollen Dirigenten des ‘City of Birmingham Symphony Orchestra’ oder des ‘Orchestra oft the Age of Enlightenment’, den Rattle sein konnte, begnügen sich die Einspielungen mit den Wiener und Berliner Philharmoniker mit Beiläufigkeit und Selbstgefälligkeit. Ganz anders dagegen diese 7 Symphonien von Jean Sibelius, die in einer recht unpraktischen und protzigen Box vorgelegt werden. Hat man die erste CD in den Player gelegt, wird man von einer Interpretation überwältigt, die immer wieder Extreme aufsucht.

Rattle bedient sich dabei sowohl der gängigen Klischees eines hochromantischen Spiels als auch zum Teil sehr radikaler Akzente und Wendungen. In allen Symphonien lässt er das konventionell Schöne gegen die Modernität des frühen 20. Jahrhunderts ankämpfen. Hier prallen Welten aufeinander und versöhnen sich wieder.

In den ersten drei Symphonien herrscht noch das romantische Erleben vor, obwohl immer wieder Phrasierungen zu hören sind, die auf die Moderne hinweisen. Bei diesem Sibelius erweist sich Rattle als großer Künstler. Kaum eine andere Gesamteinspielung (ausgenommen vielleicht jene von Sir Colin Davis und dem ‘Boston Symphony Orchestra’ und Paavo Berglund mit dem ‘Chamber Orchestra of Europe’) lässt uns eine solche Faszination der Gegensätze erleben.

Mit der Vierten kommt dann der Bruch und die Modernität behält die Überhand. Dies wird brillant in Rattles Interpretation deutlich. Es folgen eine düster-spannende Fünfte, eine sehr pastorale, auf sich besinnende Sechste und eine mysteriöse Siebte, die am Schluss alle Fragen offenlässt.

Die Berliner Philharmoniker spielen auf höchstem interpretatorischen Niveau, so dass sich diese Gesamteinspielung sowohl im Audio wie im Blue-Ray oder Video-Format für den Sibelius-Liebhaber empfiehlt.

Simon Rattle’s Sibelius is characterized by heavy contrasts. This is absolutely fascinating, not least because of the gorgeous playing of the Berlin Philharmonic. Surely, we have here one of the best recoding of Sibelius’s complete symphonies.

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