Witold Lutoslawski: Symphonien Nr. 2 & 3; Finnisches Radio Symphonie Orchester, Hannu Lintu; 1 SACD Ondine ODE 1332-5; Aufnahme 11/2018, Veröffentlichung 02/2020 (61'40) – Rezension von Uwe Krusch

Erst das kulturpolitische Tauwetter ab 1954 befreite Lutoslawski in seiner musikalischen Entwicklung. Sein Weg verlief nicht geradlinig, aber immer in persönlich geprägter Form ohne Anschluss an eine Kompositionsschule. Über serielle und dodekaphonische Experimente gelangte er zum aleatorischen Kontrapunkt. Sein Hauptwerk dazu ist die hier vorgestellte 2. Symphonie. Die dritte sieht aleatorische Aspekte nur noch sehr vereinzelt vor und stellt wieder die vollständig ausgeschriebene Komposition in den Mittelpunkt. Mit seinen vier Sinfonien stellte er sich nicht nur gegen die Wortführer, die diese Form als im 20. Jahrhundert unangebracht sahen, sondern entwickelte sich gleichzeitig zu einem der großen Symphoniker seiner Zeit. Man könnte sogar sagen, dass Witold Lutoslawski auf seine unabhängige Weise diese Gattung neu erfunden hat.

Hannu Lintu zeigt sich durchweg als ein sorgfältig Disponierender der Musik, wobei er vor allem auf strukturelle Klarheit setzt. Er versteht sich hervorragend darauf, diese vielgestaltige Klangwelt umzusetzen. Knorrig-kontrapunktisches Gegeneinander von Orchestergruppen kommt dabei nicht weniger gut zum Ausdruck als ineinander überfließende aleatorische Passagen. Lintu hat ein Ohr für Details, die anderswo klinischer oder ganzheitlicher geliefert werden. Die Musik des Polen ist reich an Oberflächen und ebenso an darunter liegenden Ereignissen und das wird in dieser Aufnahme deutlich. Gezielt, aber nicht plakativ gezeigte Entwicklungen und durchleuchtete Klarheit zeigen, dass Lintu den Überblick behält und das Gesamtkonzept nicht übersieht. Sich abwechselnde Episoden von rasanter Bewegung und körper- und zeitlose Zonen stehen nahtlos zueinander, so dass die Aufnahme die Werke kühl durchdacht und trotzdem mit Wärme und Ausdruck beleuchtet.

Das Orchester agiert unterkühlt nordischer in Hochform und wird dabei von der Tontechnik optimal unterstützt. Alles in allem eine ausgezeichnete Produktion. Lintu und sein finnisches Orchester entlocken diesen großartigen Werken alles an Schönheit. Der überschaubare Katalog wird mit dieser neuen Aufnahme ohne Frage bereichert.

Lutoslawski path was not straightforward. Through serial and dodecaphonic experiments, he came to the aleatory counterpoint. His main work in this category is the 2nd Symphony. The Third again focuses on the fully noted composition. With his four symphonies, he also developed into one of the great symphonists of his time, one could even say, he reinvented this genre in his independent way. Hannu Lintu consistently shows himself to be a careful performer of this music, focusing on structural clarity. He is very good at implementing Lutoslawski’s rich sound world. The orchestra is in top form, and is optimally supported by the recording technicians.

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