ICMA Discovery Award winner Eva Gevorgyan is one of the finalists

Das Klavierfestival des chinesischen Pianisten Haiou Zhang im Beethovensaal des Resorts Öschberghof in Donaueschingen ist am Sonntag mit der Verleihung des Öschberghof Klassik Piano Award zu Ende gegangen. Gewonnen hat den Preis die 17-jährige russische Pianistin Eva Gevorgyan, Gewinnerin des Discovery Award der International Classical Music Awards 2019. Remy Franck war beim Festival mit Wettbewerb in Donaueschingen dabei.

Begonnen hatte der Konzertzyklus mit einem Beethoven-Abend, gespielt von Haiou Zhang.

In sechs Konzerten stellten sich dann samstags und sonntags Clément Lefèbvre, Xingyu Lu, Eva Gevorgyan, Onute Grazinyte, Ruben Micieli und Philipp Scheucher in Recital-Programmen vor. Alle stehen am Beginn einer internationalen Karriere und hatten zuvor schon Preise bei internationalen Wettbewerben gewonnen. In der Jury des mit 3.000 Euro dotierten Preises saßen Haiou Zhang, der Schallplatten-Verleger Günter Hänssler, die Pianisten Michael Korstick und Tomislav Baynov sowie Dirigent Charles Olivieri-Munroe.

Xingyu Lu, Clément Lefèbvre, Onute Grazinyte, Eva Gevorgyan, Haiou Zhang, Ruben Micieli und Philipp Scheucher

Haiou Zhangs Beethoven-Recital begann mit einer fulminanten Darbietung der Waldstein-Sonate, die uns einen wilden, aufbrausenden und im Kontrast dazu sehr liebenswürdigen Beethoven zeigte. Eine strukturell überaus klug interpretierte 30. Sonate entführte uns in eine wiederum ganz andere Beethoven-Welt, ehe der Abend mit einer hoch intensiven, aber durchaus klar formulierten Darbietung der 32. Sonate zu Ende ging, gedanklich reich, sehr kontrastreich und intensiv dramatisch. Wie schon in Zhangs Aufnahme bei Hänssler Classic (Pizzicato-Rezension) war dies eine spannungsgeladene Beethoven-Interpretation, welche die Komplexität und Orientierungslosigkeit dieser Sonate ebenso betonte wie ihren in eine ferne Zukunft weisenden Charakter.

Der 33-jährige Franzose Clément Lefèbvre, dem auf einem nicht einfach zu spielenden Steinway keine durchgehend spannende Darbietung gelingen wollte, war der erste Pianist im Öschberghof-Wettbewerb. In Scriabins Impromptus op. 12 und der 3. Sonate fehlten in einer senkrecht statt waagerecht gedachten Interpretation vor allem die Kontraste zwischen Kraft und Zurückhaltung, Licht und Schatten. Am besten gerieten Lefèbvre Liszts Vallée d’Obermann und die beiden Fauré-Nocturnes Nr. 6 und 11.

Xingyu Lu, 1999 in China geboren, hatte gerade einen mehrwöchigen Krankenhaus-Aufenthalt hinter sich, der wohl zumindest teilweise einen eher schwachen Auftritt erklärte. Wie könnte Mozart in seiner 6. Sonate auch keck lachen, wenn man sich, von einer Krankheit immer noch gezeichnet, schwach fühlt? Chopins Polonaise-Fantasie op. 61 und Beethovens 28. Sonate hätten dennoch etwas inspirierter klingen können.

Eva Gevorgyan bei ihrem Recital im Beethoven-Saal des Öschberghof Resort

Die 17-jährige Russin Eva Gevorgyan, uns gut bekannt als Gewinnerin des ICMA Discovery Award 2019, stellte sich mit jenem ganzen Chopin-Programm vor, das sie auch beim diesjährigen Chopin-Wettbewerb in Warschau spielen wird. Sie zeigte sich im Öschberghof als brillante Pianistin, im Vollbesitz ihrer gestalterischen Mittel und mit einer phänomenalen Technik. Die Gefühlsregungen der 3. Ballade kamen in einem perfekt aufgebauten Drama voll zum Ausdruck. Auch im Vierten Scherzo und der Fantasie op. 49 war ein reiches und fantasievolles, manchmal direkt improvisatorisch wirkendes Spiel absolut packend. Gewiss, die Walzer op. 34 waren für meinen Geschmack eine Spur zu ungestüm, aber in ihrer Brillanz und ihrem Pianismus doch sehr beeindruckend. In der 2. Sonate hätte ich mir die Rhetorik noch etwas prägnanter formuliert vorstellen können, was allein schon hin und wieder durch Atemholen hätte erreicht werden können. Aber aufs Ganze gesehen war dies doch eine ganz spannende und pianistisch hervorragende Interpretation.

Am Sonntag machte die 1996 in Vilnius (Litauen) geboren Onute Grazinyte den Auftakt mit einem weitgehend ruhigen und meditativen Programm mit kleinen Stücken von Pärt, Scriabin, Messiaen und Ciurlonis. Und wenn mein Kollege Guy Engels die Pianisten eine ‘Meisterin der Stille’ genannt hatte  (Pizzicato-Rezension), so konnte ihr Recital im Öschberghof dies nur bestätigen. Grazinytes Stärke liegt in der Tat im Ausdruck von Ruhe und vielleicht auch von Schmerz. Als Beweis dafür darf man eine wenig überzeugende Darbietung von Stravinskys Feuervogel-Suite sehen.

Pianisten und Jury

Der 28-jährige Österreicher Philipp Scheucher begann sein Programm mit einer herausragenden Deutung von Schuberts Klavierstück Nr. 1, und er konnte auch in Beethovens Sonate op. 3 Nr. 3 vollauf überzeugen. Dass er dann in Liszt 2. Ballade und vor allem in Mazeppa aus den Etudes d’Ecécution Transcendante den heroischen Charakter der Musik nicht traf, den übergreifenden leidenschaftlichen Bogen nicht realisierte, brachte ihn wohl aus dem Rennen um den Öschberghof-Preis.

Der Italiener Ruben Micieli, Jahrgang 1997, ist ein ganz besonders eloquenter Pianist, der sich mit einer Scarlatti-Sonate warmspielte, um dann in Leybachs Fantasie brillante sur l’opéra Norma de V. Bellini zu brillieren. Chopins Introduktion und Rondo op. 16 interpretierte er sehr rhapsodisch, und in den 12 Etüden op. 25 spielte ihm seine gestalterische Fantasie insofern einen Streich, als die Etüden am Ende doch zu Fantasien wurden und das Ganze einem wie eine italienische Opernfantasie vorkam. So italienisch darf Chopin nicht klingen.

Eva Gevorgyan und Haiou Zhang

Und so drängte sich am Ende der sechs Recitals die Feststellung auf, dass nur Eva Gevorgyan den Öschberghof-Preis gewinnen konnte, was die Jury denn auch in ihrem Beschluss bestätigte. Dennoch muss man das Programm, aufs Ganze gesehen, als sehr interessant bezeichnen, weil es den Zuhörern sechs sehr unterschiedliche Pianistentypen vorführte, mit unterschiedlichen Stimmen, die jede auf ihre Art den großen Chor der Klavierwelt bereichert.

www.oeschberghof.com

Eva Gevorgyan und ICMA-Präsident Remy Franck

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