Die Mitglieder der Essener Philharmoniker haben uns eine eigene Stellungnahme zu der abgesagten Uraufführung des Violinkonzerts von Clara Iannotta zukommen lassen. Pizzicato hatte darüber berichtet (siehe unten). Die Musiker äußern sich zu den technischen Schwierigkeiten, mit denen sie sich nach verspäteter Ablieferung des Orchestermaterials konfrontiert sahen.

« In den vergangenen Tagen entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Mitglieder der Essener Philharmoniker hätten sich geschlossen gegen die Aufführung des neuen Violinkonzerts von Clara Iannotta ausgesprochen. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Bis zuletzt haben wir als Orchester versucht, die Uraufführung zu ermöglichen. Die Entscheidung über die Absage wurde von der künstlerischen Leitung getroffen und kam für uns überraschend.

Das Werk war als Auftragskomposition für das Festival NOW! vorgesehen und sollte im Rahmen eines regulären Sinfoniekonzerts uraufgeführt werden. Die vollständige Partitur und das Stimmenmaterial gingen jedoch erst zwei Wochen vor dem Konzerttermin ein; deutlich später als vereinbart. Es blieb keine Zeit, sich auf die besonderen Anforderungen des Werks vorzubereiten und offene Fragen mit der Leitung zu klären.

Der Einsatz der vorgesehenen Objekte und Spieltechniken – unter anderem das Streichen mit hochwertigen Bögen auf Styroporplatten – bedeutete einen erheblichen zusätzlichen organisatorischen und materiellen Aufwand. Solche Bögen kosten in der Regel mehrere tausend Euro. Ebenso sorgte der Einsatz von Steinen in unmittelbarer Nähe zu empfindlichen Streichinstrumenten für berechtigte Unruhe, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass diese beim Spielen oder Umblättern vom Pult fallen oder aus der Hand gleiten könnten. Es gab Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Instrumente und Arbeitsmittel, für die wir als Orchester in Eigenregie noch keine Lösungen fanden.

Die Orchesterleitung bat den Orchestervorstand daher um Unterstützung und um ein

Stimmungsbild innerhalb des Orchesters. Es handelte sich ausdrücklich um ein vorläufiges Meinungsbild, um die tariflichen Regelungen zu Sonderinstrumenten und Objekten auf den konkreten Fall anzuwenden. Eine große Mehrheit der Musikerinnen und Musiker war bereit, die Uraufführung wie vorgesehen zu realisieren. Zugleich äußerten einige Kolleginnen und Kollegen berechtigte Bedenken, die in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ausgeräumt werden konnten. Erschwerend kam hinzu, dass notwendige Abstimmungsgespräche teilweise zu spät angesetzt oder nicht in entscheidungsfähiger personeller Besetzung geführt werden konnten.

Damit war ein echter Dialog oder eine gemeinsame Entscheidung kaum möglich.

Wir bedauern die entstandene Situation und die öffentliche Zuspitzung, die den Blick auf das eigentliche künstlerische Anliegen überschattet. Wir hoffen, dass das Werk von Clara Iannotta und die Bedeutung neuer Musik weiterhin im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Die Essener Philharmoniker engagieren sich seit vielen Jahren mit großem Einsatz für zeitgenössische Musik und neue Klangkonzepte – im Rahmen des NOW!-Festivals ebenso wie in anderen Konzertformaten. »

Essen, Oktober 2025
Im Namen der Mitglieder der Essener Philharmoniker
Orchestervorstand:
Prof. Alexander Kritikos (1. Vorsitzender)
Joachim Graf (stv. Vorsitzender)
Natalie Arnold
Karla Müller

Essener Philharmoniker sagen Uraufführung ab

 

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