Vor knapp zwei Jahren kam das Armida Quartett in der Reihe ‘Rising Stars’, damals bereits mit einem anspruchsvollen Programm, nämlich Bach, Mendelssohn und Nikodejevic. Jetzt durfte Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch erlauschen, wie die vier Musiker im Vergleich dazu gereift sind und wie sie die neuen Herausforderungen als da waren Bartok, Beethoven und Prokofiev, bewältigen. Denn diesmal traten sie sozusagen im Olymp an, in der Reihe ‘Quatuor à cordes’ der ‘Philharmonie Luxembourg’.
Gleich der Einstieg mit dem immer wieder gerne vorgetragenen vierten Streichquartett von Beethoven, also dem Werk in c-Moll op. 18 Nr. 4, geriet zu Demonstration ihrer stupenden Fähigkeiten. Mit einer überwältigenden Klang- und Ausdruckskultur, die sie den gesamten Abend über durchhielten sowie einem fehlerfreien Zusammenspiel boten sie dieses Werk aus den ersten Gehversuchen Beethovens in dieser Gattung in einem sozusagen goldenen Samtklang an, der noch die nahe Vergangenheit zu Haydn und Mozart deutlich machte. Die Beethovenkrallen hatten sie vorher geschnitten und poliert, so dass sie beim Ausfahren, wie die rhythmisch widerspenstigen Sforzati im Menuetto, hörbar wurden, aber nichts Erschreckendes oder Brutales an sich hatten. Mit flotten Tempi und intensivem Hineinknien versetzen sie dem Werk eine innere Spannung und Intensität, die in der furios gespielten Schlussstretta des Finalsatzes endete.
Dass diese hohe Qualität bei einem auch für professionelle Musiker weitaus schwieriger zu beherrschenden Werk nicht nur beibehalten, sondern sogar ausgebaut werden konnte, durfte das Auditorium mit dem großformatigen fünften Quartett von Bela Bartok erleben. Natürlich vielleicht auch wegen der größeren Anspannung wegen der besonderen Herausforderung vertieften sich die vier Künstler aus Berlin ungemein in dieses Werk. Das führte aber nicht zu einer Verkrampfung, sondern zu einem wunderbar ausbalancierten nuancenreichen Spiel von schlichtweg staunen machender Qualität.
Bei diesem Ensemble fällt eine Besonderheit auf, die es von vielen anderen unterscheidet und nach meiner Meinung positiv heraushebt. Gemeint ist die Homogenität im Sinne der Gleichbehandlung aller Stimmen. Während andere Quartette den Primgeiger immer herausstellen bzw. er sich selber, darunter auch große Namen, die als Lehrmeister vielen jüngeren Quartteten über den Berg helfen, so ist er hier inter pares, aber nicht primus, nur Primarius. Die Vier kosteten die Breite der spieltechnischen Anforderungen und Ausdrucksbewegungen so aus, dass es eine reine Freude war. So fühlte man sich als Hörer sowohl bei Beethoven als auch Bartok vom Anklang des ersten Tons an geborgen wie zu Hause. Vielleicht kann man noch ergänzen, dass sogar moderne Musik, so man Bartok noch dazurechnen möchte, wenn sie so geistreich, gekonnt und intonationssicher dargeboten wird, einfach schön klingt.
Dazwischen kam es für meine Ohren bei Prokofievs zweitem Quartett zu einer ungelösten Frage. Natürlich war auch hier die Qualität enorm. Mühelos zeigten sie die eher klassischen Strukturen ebenso auf wie die musikalischen Bezugnahmen auf den Entstehungsort der Komposition im Kaukasus. Und auch die Ausweitung der stilistischen Mittel wie pizzicato- und collegno-Passagen kombiniert mit für europäische Ohren nach Orient duftenden Rhythmen und Intervallen gelangen mit großer Noblesse. Das war schon große Klasse. Und trotzdem gab es ein Störgefühl, aber welches genau? Für mich ist Prokofiev trotz seiner schwierigen Lebensumstände nicht nur etwa in der ‘Symphonie classique’, sondern in vielen Werken mit einer luftigen Freude und Unbeschwertheit in der Musik verbunden. Und für mein Empfinden war hier die die Intensität so groß, dass davon ein Teil zugedeckt wurde.
Im Gespräch vor dem Konzert hatten die beiden Geiger unter anderem ausgeplaudert, dass sie an einer Gesamtaufnahme aller Mozart-Quartette arbeiten, die mit der zweiten Scheibe gerade erst begonnen hat und sich noch ein wenig hinziehen wird. So war es folgerichtig, dass sie mit Mozart, dem Andante aus dem ersten preußischen Quartett KV 575 den Abend beendeten. Wegen dieses Satzes wird das Werk mitunter auch Frühlingsquartett genannt. Die zauberhafte Coda ließ den Abend nach all den intensiven Stücken entspannt verklingen.