Black Is The Colour; Luciano Berio: Folks Songs; Maurice Ravel: Introduction & Allegro + Histoires Naturelles; Manuel de Falla: Psyché; Anna Stéphany, Labyrinth Ensemble; 1 CD Alpha 384; Aufnahme 096/2017, Veröffentlichung 01/2018 (58'37) – Rezension von Remy Franck

Wenn von der Verbindung zwischen ernster Musik und Folklore die Rede ist, wird gerne auf Bartok oder, generell, auf ungarische Musik verwiesen. Dass es herausragende Beispiele für die Verbindung der beiden Gattungen bei Luciano Berio gibt, ist weitaus weniger bekannt. Und doch hat Berio nicht nur die sizilianische Volksmusik auf brillante Art in das Gewand einer neuen Sprachform gekleidet, sondern, in seinen ‘Folkssongs’, auch Volkslieder aus den Vereinigten Staaten, Armenien, Aserbaidschan, Frankreich und Italien, die er auf alten Schallplatten und in gedruckten Anthologien entdeckt hatte oder die Freunde ihm vorgesungen hatten. Der Komponist sagte: « Ich habe immer ein tiefes Unbehagen verspürt, wenn ich Volksweisen (also spontan aus dem Volk entstandene Lieder) mit Klavierbegleitung hörte. Daher habe ich (…) 1964 Folk Songs geschrieben, für Stimme und sieben Instrumente (Flöte/Piccoloflöte, Klarinette, zwei Schlaginstrumente, Harfe, Viola, Violoncello) und 1973 dann für Stimme und Orchester. (…) Ich habe die Lieder allerdings rhythmisch und harmonisch bearbeitet, in gewissem Sinne also neu komponiert. Der Einsatz der Instrumente hat eine ganz bestimmte Funktion. Er soll, ohne den Sinn des Liedes zu zerstören oder zu manipulieren, andeuten und kommentieren, was meinem Empfinden nach jedes einzelne Lied entsprechend seinem kulturellen Hintergrund ursprünglich ausdrücken wollte, etwa den Anlass, zu welchem es gesungen wurde. »

Diese 11 Lieder sind sehr unterschiedlich, und diese Unterschiede herauszuarbeiten, mag der wichtigste Interpretationsansatz von Anna Stéphany gewesen sein. Es ist ihr hinreißend gelungen!

Die englisch-französische Mezzosopranistin bewegt sich chamäleonartig durch das Programm und straft den Titel der CD (Black Is The Colour) Lügen. ‘White Is The Colour’, müsste er heißen, denn weiß ist die Summe aller Farben des Lichts. In Stéphanys Gesang gibt es wirklich alle Farben, alle Schattierungen, und dazu eine immense Spontaneität und Präsenz. Ihr temperamentvoller und stimmungsmachender Gesang springt einem an die Ohren. Nicht weniger genuin klingt sie in Ravel ‘Histoires Naturelles’ und in de Fallas ‘Psyché’, dazu darstellerisch ungemein reich.

Nun ist auf dieser CD nicht nur die Stimme von Anna Stéphany zu erleben, sondern man muss in gleichem Maß das sehr international besetzte, größtenteils aus dem Orchester der Zürcher Oper hervorgehende ‘Labyrinth Ensemble’ loben. In den Liedern unterlegen die Musiker den Gesang mit einem schillernden und stimmungsreichen Klangteppich, in dem kleinen Stück ‘Introduction et Allegro für Harfe, Flöte, Klarinette and Streichquartett zeigen sie höchste Gestaltungskunst, von sanft-mysteriöserer Lyrik bis zu üppiger Überschwänglichkeit. Neben der solistisch eingesetzten Harfe sind nur eine Handvoll Musiker an Bord, aber sie klingen wie ein volles Orchester, das mit schillernder Farbpalette die Nuancen von Ravels Musik eindringt und einem das Gefühl gibt, dass sie noch nie so geklungen hat. Atemberaubend!

Anna Stephany’s colourful and atmospheric performances are amazing, and so is the Labyrinth Ensembles playing. A awe-inspiring release!

 

 

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