Henri Tomasi: Violinkonzert + Capriccio für Violine & Orchester + Chant hebraïque für Violine & Orchester + Tristesse d'Antar + Poème + Chant corse + Paghiella, Sérénade cyrnéenne; Stéphanie Moraly, Violine, Romain David, Klavier, Orchestre de la Garde Républicaine, Sébastien Billard; 1 CD Naxos 8.579091; Aufnahme 12.2020+07.2021, Veröffentlichung 09.09.2022 (61'52) – Rezension von Uwe Krusch

Henri Tomasi gehört zu den Tonsetzern, die losgelöst von irgendwelchen Schulen oder Ismen ihren Weg gesucht und gefunden haben. Er selbst hat sich immer als Melodiker gesehen, der für das Publikum schreibt. In seinen Werken finden sich neoklassizistische Einflüsse seiner Zeitgenossen sowie Anleihen so unterschiedlicher Musiktraditionen wie der Volksmusik aus Korsika und der Provence, exotische Klänge aus afrikanischen, asiatischen und anderen Regionen und nicht zuletzt der Gregorianik. Auch eine persönliche Ausprägung der Zwölftontechnik ist bei ihm zu entdecken.

Während seine Werke für Ballett, Oper und Blasinstrumente gespielt werden, gehören die Violinwerke zu den wenig bekannten Aspekten seiner kompositorischen Tätigkeit. Neben dem Violinkonzert vereint diese Einspielung zwei weitere Werke mit Orchester sowie vier, bei denen die Violine zusammen mit dem Klavier zu hören ist. Während das späte Konzert Périple d’Ulysse mit rhapsodischer Virtuosität und einem reichen Sinn für Farben ausgestattet ist, erklingt das Capriccio voller Eleganz und Raffinesse. Des Weiteren sind in Chant hébraïque orientalische Motive zu hören, während die frühen Werke mit Klavier die korsische Herkunft nicht leugnen.

Allein diese Vielzahl von Aspekten zeigt schon, dass es sich um eine abwechslungsreich spannende Aufnahme handelt, die den Ohren viel Ungehörtes bietet. Auch die Darbietung der beteiligten Musiker unterstützt mit immer auf die Musik eingehenden Interpretationen das erfreuliche Gesamtbild.

Stéphanie Moraly ist eine Künstlerin, die sich auf französische Musik spezialisiert hat. Dabei legt sie immer wieder gelungene Einspielungen der Werke solcher Komponisten vor, die nicht im Fokus stehen, weil sie von anderen verschmäht werden. Mit ihrem sehr engagierten und qualitativ hochwertigen Spiel macht sie so in dankenswerter Weise auf diese aufmerksam. Auch bei Henri Tomasi gelingt ihr so eine größte Zustimmung verdienende Darstellung seines Gesamtwerkes für dieses Streichinstrument. Sie versteht es bestens, die unterschiedlichen Charaktere und Stimmungen der Stücke mit ihrem überaus sicheren und hingebungsvollen Wirken zu zeigen.

Ihr ständiger musikalischer Begleiter seit zwei Jahrzehnten ist der Pianist Romain David. Mit ihm entwickelt sich in den vier Kammermusikwerken im steten Miteinander eine lebendige Verzahnung der Stimmen der Musik, die vom vertrauten Verständnis geprägt ist.

Sébastien Billard leitet dschon lange das Orchestre de la Garde Républicaine. Nach bestem Vermögen lassen die Musiker die Farben sowie Eleganz und Raffinesse der Partituren hören und tragen so auch dazu bei, dass die individuelle Komponistenstimme vorzüglich zur Geltung kommt.

Henri Tomasi belongs to the group of composers who have sought and found their own way, detached from any school or ism. He has always seen himself as a melodist who writes for the audience. His works include neoclassical influences from his contemporaries as well as borrowings from such diverse musical traditions as folk music from Corsica and Provence, exotic sounds from African, Asian, and other regions, and, last but not least, Gregorian music. A personal expression of the twelve-tone technique can also be discovered in his work.

While his works for ballet, opera, and wind instruments are more often performed, the violin works are among the little known aspects of his compositional activity. In addition to the violin concerto, this recording brings together two other works with orchestra, as well as four in which the violin is heard together with the piano. While the late concerto Périple d’Ulysse is endowed with rhapsodic virtuosity and a rich sense of color, the Capriccio is full of elegance and refinement. Furthermore, oriental motives can be heard in Chant Hébraïque, while the early works with piano do not deny the Corsican origin.

This multitude of aspects alone shows that this is a diversely exciting recording that offers the ears much that is largely unheard. The performance of the musicians involved also supports the pleasing overall picture with interpretations that are always responsive to the music.

Stéphanie Moraly is an artist who specializes in French music. In doing so, she repeatedly presents successful recordings of the works of such composers who are not in the spotlight because they are spurned by others. With her very committed and high-quality playing, she thus draws attention to them in a thankful manner. In the case of Henri Tomasi, too, she succeeds in presenting his complete works for this string instrument in a way that deserves the greatest approval. She knows very well how to show the different characters and moods of the pieces with her extremely confident and devoted performance.

Her constant musical companion for two decades has been the pianist Romain David. With him, in the four chamber works, a lively interlocking of the parts develops in constant togetherness, characterized by familiar understanding.

Sébastien Billard has been conducting the Orchestre de la Garde Républicaine for a long time. To the best of their ability, they let the colors as well as the elegance and refinement of the scores be heard, thus also contributing to the exquisite display of the individual composer’s voice.

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