Gustavo Gimeno
(c) Marco Borggreve

Als einen Akt kollektiver Apathie wertet Remy Franck das Einstandskonzert von Gustavo Gimeno an der Spitze der Luxemburger Philharmoniker. Dem ehemaligen Paukisten und 2014 zum Dirigent mutierten Musiker fehle es noch an Metier, heißt es in der Pizzicato-Rezension.

Zwei Vorbemerkungen muss ich machen: Erstens bin ich kein Masochist und ich hätte mir liebend gerne ein gutes und begeisterndes Konzert angehört, als ich mich gestern Abend in die Luxemburger Philharmonie begab, um mir Gustavo Gimenos erstes Konzert als Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Luxemburg anzuhören. Ich ziehe es nämlich bei weitem vor, gute als schlechte Kritiken zu schreiben.

Zweitens hätte ich mir als Luxemburger, der lange eng mit dem Philharmonischen Orchester Luxemburg verbunden war, nichts sehnlicher gewünscht, als dass nach Krivine ein guter, charismatischer Dirigent das Orchester übernommen hätte. Meine Erwartungen und Hoffnungen wurden leider enttäuscht.

Als Gimeno nach reichlicher Wartezeit aufs Podium schritt, wirkte er nicht wirklich wie jemand, der das Publikum erobern will. Eher scheu und schüchtern sah er aus, und das sollte auch so bleiben. Vor wem hat er Angst, fragte ich mich nicht nur beim Auftritt und beim Abgang, sondern auch bei seinem Dirigieren.

Meine Kritik wird sich letztlich wohl mehr um das drehen, was ich nicht hörte, als um das, was an Klang von der Bühne in den Saal drang.

György Ligetis ‘Concert Romanesc’ hatte Gimeno als erstes Werk aufs Programm gesetzt, und das in der Volksmusik wurzelnde Werk blieb bei guter Rhythmik blass wie ein Foto, das zu lange in der Sonne hing.

Es folgten ‘Sieben Frühe Lieder’ von Alban Berg. Diese Komposition verlangt Durchsichtigkeit und Klarheit, sie braucht Raffinement, um ihre sensuellen Düfte zu verströmen. Nichts von all dem hier! Gimenos Interpretation war farblos und entseelt. Wie man einen Sänger trägt, wie man die Stimme in den Orchestermantel kleidet, scheint dieser im wirklichen Metier nicht eben erfahrene Dirigent auch nicht zu wissen, denn Anja Harteros war auf sich selber gestellt und meisterte ihren Part dennoch beeindruckend.

Nach der Pause dirigierte Gimeno Gustav Mahlers Erste Symphonie. Sie klang seltsam eindimensional und streckenweise sehr langweilig, weil ihr jegliches Innenleben fehlte. Nichts Keckes gab es im ersten Satz, oft nur bleierne Schwere. Anstatt den Aufbruch ins Leben zu fühlen, empfand man die Musik eher als Ausdruck von Unterdrückung.

Selbst in lauten und kräftigen Passagen war das alles nicht mehr als ein Akt kollektiver Apathie, eine nicht gelebte, sondern bloß undifferenzierend herunter gespielte Musik ohne Innenspannung, ohne dieses fulminante Zusammenwachsen von vielen kleinen Details, das für Mahler so typisch ist. Es fehlte an Atem, an strukturellem Denken, an Sinn für Zusammenhänge. Mahler als ein einziges großes Understatement!

Dass das Publikum am Ende begeistert Beifall spendete, ändert nichts an den Tatsachen, und zeigt nur, dass die letzten drei Minuten von Mahlers Erster eben nie ihre Wirkung verlieren.

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