
Im Gegensatz zu Ullmann, Haas, Krása und Klein überlebte der tschechische Komponist Hans Winterberg (1901-1991) den Holocaust durch eine Reihe glücklicher Umstände. Als Schüler von Alexander Zemlinsky und Alois Hába steht er in der Nachfolge Janáceks, ist jedoch auch dem weiteren Umfeld der Zweiten Wiener Schule zuzurechnen. Winterberg beschrieb seinen Stil so: « Ursprünglich von Arnold Schönberg ausgehend, habe ich schließlich einen Weg polyrhythmischer und polytonaler Prägung gefunden. »
Hans Winterberg wird erst seit wenigen Jahren als einer der wichtigsten Vertreter der tschechischen Avantgarde der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Und das liegt daran, dass sein Adoptivsohn den gesamten Nachlass an das Sudetendeutsche Musikinstitut verkaufte. Der Vertrag begründet den Umstand, dass Winterberg kaum bekannt wurde, so: « Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sperrt das Sudetendeutsche Musikinstitut den gesamten übergebenen Nachlass von Hans Winterberg bis zum 31. Dezember 2030 für jegliche Benutzung. Das Sudetendeutsche Musik Institut verpflichtet sich, Hans Winterberg […] ausschließlich als sudetendeutschen Komponisten zu bezeichnen. Auch Zusätze wie ‘jüdischer Herkunft’ oder ähnliche, die als Hinweis auf jüdische Herkunft dienen können, dürfen nicht verwandt werden. »
Die Handlung war wenig konsequent, denn der Sohn gab Winterbergs Neffen Peter Kreitmeir die Vollmacht, den Vertrag zu annullieren. Das geschah 2015, und dann kam Exilarte ins Spiel, das Zentrum für verfolgte Musik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, das in zäher Diskussion mit dem Neffen einzelne Werke zugänglich machte.
Dazu gehören auch die fünf Klaviersonaten, die Jonathan Powell nun für EDA aufgenommen hat, die drei letzten als Ersteinspielungen.
Die Musikwissenschaftlerin Ulrike Anton hat auf den kulturellen Einfluss in der Musik von Winterberg hingewiesen: « Diese Beeinflussung durch die tschechischen Komponisten geht quer durch seine Werke. Man hört immer diese Polyrhythmik, man hört sehr viel tschechische Volksmusik. Bei seiner Musik kann er seine kulturelle Zugehörigkeit nicht verleugnen. »
Die Sonaten weisen alle Charakteristika von Winterbergs Personalstil auf, und Jonathan Powell beschreibt die fünf Sonaten so: « Sonate Nr. 1, rasche Stimmungsschwankungen, rauschhaft-ungestüm; Sonate Nr. 2 muskulös, starke dynamische Kontraste; Sonate Nr. 3 obsessives moto perpetuo, dunkles Pulsieren; Sonate Nr. 4 lyrisch, ausladend, romantische Virtuosität; Sonate Nr. 5 pastorale, friedliche Stimmung, die sich über lange Abschnitte erstreckt, rauschhaftkontemplativ. »
Hans Winterberg hätte sich für seine Sonaten keinen besseren Fürsprecher wünschen können als Jonathan Powell. Ich kann mir vorstellen, dass diese Sonaten durchaus mechanisch spröde klingen können, doch Powell geht die komplexe Welt dieser Musik mit hervorragender Gestaltungsphantasie und Lebhaftigkeit an. Der Gefahr einer rhythmischen Steifheit entgeht er mit einem sehr flexiblen Spiel. Die Musik ist voller Nuancen von Farben, von Licht und Schatten, selbst wenn sie drängend virtuos klingt.
Die Aufnahme ist präsent, klar und ausgewogen.
In contrast to Ullmann, Haas, Krása and Klein, the Czech composer Hans Winterberg (1901-1991) survived the Holocaust through a series of fortunate circumstances. As a pupil of Alexander Zemlinsky and Alois Hába, he was a follower of Janácek, but also belonged to the wider circle of the Second Viennese School. Winterberg described his style as follows: « Originally based on Arnold Schoenberg, I finally found a path of polyrhythmic and polytonal character. »
Hans Winterberg has only recently been rediscovered as one of the most important representatives of the Czech avant-garde of the first half of the 20th century. This is due to the fact that his adopted son sold his entire estate to the Sudetendeutsches Musikinstitut. The contract explains the fact that Winterberg was hardly known as follows: « For reasons of personal protection, the Sudetendeutsches Musikinstitut shall block the entire estate of Hans Winterberg handed over to it for any use until December 31, 2030. The Sudetendeutsches Musikinstitut undertakes to refer to Hans Winterberg […] exclusively as a Sudeten German composer. Even additions such as ‘of Jewish origin’ or similar, which could serve as an indication of Jewish origin, may not be used. »
The action was not very consistent, as the son gave Winterberg’s nephew Peter Kreitmeir the power of attorney to cancel the contract. This happened in 2015, and then Exilarte came into play, the Center for Persecuted Music at the University of Music and Performing Arts Vienna, which made individual works accessible in tough discussions with the nephew.
These include the five piano sonatas that Jonathan Powell has now recorded for EDA, the last three as premiere recordings.
Musicologist Ulrike Anton has pointed out the cultural influence in Winterberg’s music: « This influence from Czech composers runs right through his works. You always hear this polyrhythm, you hear a lot of Czech folk music. He cannot deny his cultural affiliation in his music. »
The sonatas exhibit all the characteristics of Winterberg’s personal style, and Jonathan Powell describes the five sonatas as follows: « Sonata No. 1, rapid mood swings, intoxicatingly unstable; Sonata No. 2 muscular, strong dynamic contrasts; Sonata No. 3 obsessive moto perpetuo, dark pulsation; Sonata No. 4 lyrical, expansive, romantic virtuosity; Sonata No. 5 pastoral, peaceful mood that extends over long sections, intoxicatingly contemplative. »
Hans Winterberg could not have wished for a better advocate for his sonatas than Jonathan Powell. I can imagine that these sonatas can sound mechanically brittle, but Powell tackles the complex world of this music with outstanding creative imagination and vivacity. He avoids the danger of rhythmic stiffness with very flexible playing. The music is full of nuances of color, of light and shade, even when it sounds urgently virtuosic.
The recording is present, clear and balanced.