Wolfgang Rihm: Jagden und Formen (Zustand 2008); Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Frank Ollu; 1 CD BR-Klassik 900640; Aufnahme 06.2021, Veröffentlichung 04.03.2022 (61'41) – Rezension von Uwe Krusch

Jagden und Formen ist ein andauerndes Kompositionsprojekt von Wolfgang Rihm. Existierte bisher, soweit bekannt, nur die Aufnahme des Zustandes 1995/2001 mit dem Ensemble Modern, so fügt das Orchester des Bayerischen Rundfunks nun diese des Zustands 2008 hinzu. Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Werk weiter gewachsen ist, um eine kleine dreistellige Zahl an Takten und zehn Minuten Dauer. Das hat Rihm durch Einschübe, auch solistische, und genauere Ausformulierungen im Inneren um den ursprünglichen Kern erreicht. Ausgangspunkt waren zumindest drei frühere Werke, Gejagte Form, Gedrängte Form und Verborgene Form, die durch Übermalungen zu dem jetzigen Zustand führten. Inzwischen darf man also partiell von übermalten Übermalungen sprechen.

Das in einem Stück geformte Werk, aber zur Übersichtlichkeit in 16 Teilen auf CD markiert, arbeitet mit zwei Prinzipien, einem statischen und einem dynamischen, die miteinander verwoben sind. Räumlich umgreifende Aktionszeiten, die an ein Perpetuum mobile erinnern, werden in dem Werk mit Erwartungsstrukturen, die als Ruhepole vermitteln, verwoben. Mit großer Besetzung, allerdings in den Streichern solistisch, wird es zum Konzert für Orchester.

Das aus seiner langjährigen Erfahrung der Reihe musica viva mit unzähligen zeitgenössischen Partituren vertraute Orchester des Bayerischen Rundfunks wird hier von Franck Ollu geleitet, der ebenfalls umfangreiche Expertise in der Musik der Gegenwart hat. Beide zusammen entwickeln diese Mischung aus solistischer und orchestraler Brillanz sowie Ruhepunkten und stark bewegten Passagen mit ausgeprägter Selbstverständlichkeit für die Textur dieser Musik und schaffen so ein nuancenreiches und imponierendes, aus sich selbst heraus sprechendes Klanggemälde dieser umfangreichen Partitur.

Jagden und Formen is an ongoing compositional project by Wolfgang Rihm. If, as far as is known, only the recording of the 1995/2001 state with the Ensemble Modern existed until now, the Bavarian Radio Orchestra adds this one of the 2008 state. At first glance it is noticeable that the work has grown further, by a small three-digit number of measures and ten minutes in duration. Rihm has achieved this through interpolations, including soloistic ones, and more precise formulations in the interior around the original core. The starting point was at least three earlier works, Gejagte Form, Gedrängte Form and Verborgene Form, which led to the present state through « overpainting ». In the meantime, therefore, one may speak partially of overpainted overpaintings.
The work, formed in one piece, but marked in 16 parts on CD for clarity, works with two principles, one static and one dynamic, which are interwoven. Spatially encompassing action times, reminiscent of a perpetual motion machine, are interwoven in the work with structures of expectation that mediate as poles of rest. With large instrumentation, with many solos, it becomes a concerto for orchestra.
The Bavarian Radio Orchestra, familiar from its many years of experience in the musica viva series with countless contemporary scores, is conducted here by Franck Ollu, who also has extensive expertise in contemporary music. Together, the two develop this blend of soloistic and orchestral brilliance as well as resting points and strongly moving passages with a pronounced naturalness for the texture of this music, creating a nuanced and imposing sound painting of this extensive score that speaks from within itself.

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