Bloody Daughter; Film von Stéphanie Argerich; 1 Blu-ray Idéale Audience 3073904; Bild 16:9; Stereo & Surround; Konzert: Frédéric Chopin: Klavierkonzert Nr. 1, Mazurka op. 24/2; Robert Schumann: Traumeswirren, op. 12/7; 2012 (94'+54') – Rezension von Remy Franck

Die Pianistin Martha Argerich hat drei Töchter. Ihre Jüngste, Stéphanie, wurde eine Filmemacherin und hat einen Film über ihre Mutter gedreht. Ein Film über Argerich kann kein ‘normaler’ Film sein, und es ist der Tochter gelungen, die vielen Facetten der Mutter zu zeigen. Wir begegnen Martha Argerich im Bett, die erste Tasse morgendlichen Kaffees in der Hand, im Zug, in der Garderobe vor einem Auftritt, von Lampenfieber in ein Stadium höchster Nervosität gebracht, daheim, im Gespräch… Es gibt auch Aufnahmen, welche die junge Stephanie als Teenager mit einer Kamera gedreht hat, die die Mutter ihr von einer Japan-Tournee mitgebracht hatte.

Vieles, was man sieht und hört, deckt sich mit dem, was man wusste oder zu wissen glaubte. Der Film ist aber in erster Linie die Begegnung mit einer einsamen Frau. « Es gibt in meinem Leben niemanden für den ich wichtig bin, ich arbeite zuviel, ich reise zuviel », sagt die Pianistin. Martha Argerich, eine unzufriedene Frau? Nein, denn ihr Leben ist das Klavier und wenn sie am Klavier sitzt, dann blickt sie weder zurück noch genau vor sich hin, sondern immer vorwärts.

Der Film ist manchmal so intim, dass sich der Zuschauer als Eindringling, als Voyeur vorkommt. Und auch wenn die Tochter der Mutter sogar manchmal recht unbequeme Fragen stellt, so ist doch stets die Bewunderung Stéphanies für ihre Mutter  zu spüren. « Ich bin die Tochter einer Göttin », sagt sie im Film.

Stephanie besuchte auch ihre Schwestern und ihren Vater Stephen Kovacevich, den sie nicht gut kennt, weil sie nie mit ihm gelebt hat. Das äußert sich in einem eher kühlen Kapitel, das ihm im Film gewidmet ist, der ‘Bloody daughter’ heißt, weil der Vater Stéphanie so nennt.

Wer Martha Argerich nicht kennt, wird erstaunt sein, wie bieder und betont unluxuriös es im Hause Argerich zugehen konnte und immer noch geht, aber auch, wie weltfremd die Pianistin sich manchmal benahm und benimmt, wie exzentrisch sie sein konnte und immer noch ist. Aber etwas war sie nie: glamourös. Sie macht kein Aufheben um sich selber. Sie benimmt sich nicht wie eine Diva, auch dann nicht, wenn sie Konzerte absagt. Von ihrem Vater sagt die Argerich, er habe festgestellt, sie sei immer ein lustiges und positives Kind gewesen, bis sie begonnen habe, Klavier zu spielen, da sei sie plötzlich ein bisschen traurig und besorgt gewesen… Und so sieht sie heute auch noch oft aus. Selbst wenn sie zwischendurch mal ganz kurz lacht. Macht sie deswegen manchmal einen so verlorenen Eindruck, wenn sie auf die Bühne kommt, oder auch zu einer Probe, wo sie immer zuerst in einer ihrer großen Taschen kramt, die sie immer mit sich herum schleppt, als suche sie die Noten, die sie längst nicht mehr braucht.

This film shows the very private Martha Argerich, filmed and questioned by her daughter Stéphanie (whose father is Stephen Kovacevich). Despite all of what mother and children have been through, this is a very affectionate portrait. « I’m the daughter of a goddess”, says Stéphanie Argerich at one point in the film.

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