Wir veröffentlichen hier den Leitartikel aus dem Novemberheft der Druckausgabe von Pizzicato. Er befasst sich mit der Leitung der Luxemburger Philharmonie unter ihrem Ex-Intendanten Matthias Naske. Von den über acht Millionen Euro hohen Subventionen, die Matthias Naske  ‘sine qua non’ für den Betrieb der Philharmonie vom Luxemburger Staat forderte, war bereits im September-Leitartikel die Rede. (Mittlerweile wissen wir, dass er in seinem neuen Job als Chef des Wiener Konzerthauses mit 1,5 Millionen auskommen muss). Dieses öffentliche Geld aus Luxemburger Steuermitteln erlaubte es dem Souverän von Naskezistan nicht nur, die teuersten Orchester und die bestbezahltesten Solisten in die ihm kostenlos vom Staat zur Verfügung gestellte Philharmonie einzuladen, sondern auch das Publikum mit Eintrittspreisen zu verwöhnen, die um 30% (und oft sogar viel mehr) niedriger sind als im Ausland und für die anderen Luxemburger Veranstalter eine unlautere Konkurrenz darstellen.

Bei 150.000 Besuchern und acht Millionen Euro an Subventionen (das Amsterdamer Concertgebouw erhält nur eine Million!) polstert der Staat den Sitzplatz jeden Besuchers der Philharmonie mit mehr als fünf 10-Euroscheinen, also mit mehr als 50 Euro! Wenn man errechnet, dass die jährlichen 150.000 Besucher sich auf ca. 375 Vorstellungen verteilen, kommt man auf einen Besucherschnitt von 400 pro Vorstellung. Das beweist, dass die meisten Zuschauer Vorstellungen beiwohnen, die im Kammermusiksaal oder im ‘Espace Découverte’ stattfinden, wovon der größte Teil Kindervorstellungen sind. Da diese im Haushalt der Philharmonie wohl zu den billigsten Produktionen gehören, wagt man nicht zu denken, wie viele Euros der Staat hinblättert, wenn die Wiener Philharmoniker oder das ‘New York Philharmonic’ auf Kirchberg gastieren.

Interessant wäre es im übrigen auch, zu erfahren, wie viele bezahlte Karten und wie viele Freikarten für die Konzerte ausgegeben wurden.

Und wenn wir schon bei Geldfragen sind, muss auch noch erwähnt werden, dass sich die Behauptung von Kulturministerin Modert, die 2011 durchgezogene Fusion des Philharmonischen Orchesters und der Philharmonie führe zu Einsparungen, als falsch erweisen sollte. Als Sparmassnahme war sie auch den Parlamentariern präsentiert worden, welche über die Fusion abzustimmen hatten, die nach dem Wunsch der Ministerin von einer Expertengruppe als vorteilhaft hingestellt wurde. Pikanterweise saß unter den Experten einer, der Modert genau das Gegenteil dessen empfahl, was er 2004 der damaligen Ministerin Erna Hennicot-Schoepges vorgeschlagen hatte, nämlich die Strukturen von Orchester und Haus zu trennen. So viel zum Thema ausländische Experten, die immer dankbar sind für lukrative Aufträge aus Luxemburg. Da die Damen und Herren Abgeordneten, die zu diesem Thema aber auch wirklich gar nichts hinterfragten und gedankenlos schluckten, was ihnen Modert vorgaukelte, erfuhren sie nicht, dass die Mär vom Geldsparen so aussah: Für 2012, das erste Jahr nach der Fusion bekamen Philharmonie und Orchester 20.179.000 Euro. Im Jahr vor der Fusion waren es nur 18.980.000. Fazit: die Fusion kostete 1,2 Millionen Euro. Nicht eingerechnet sind dabei die Löhne, die durch die Entlassungen sämtlicher luxemburgischen Führungskräfte des OPL in jenen Kulturinstitutionen verursacht wurden, wo diese Leute untergebracht werden mussten.

Zu einem anderen Thema: Nach 2010, als sich die Jury der ‘MIDEM Classical Awards’ von der MIDEM löste und sich selber organisierte, schlug ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Jury Matthias Naske vor, den Preis der ICMA in Luxemburg auszurichten. Saal und Orchester sollten dafür zur Verfügung stehen und dadurch ihr internationales Ansehen weiter ausbauen. Naske aber wollte das nicht. Mit dem schlangenzischenden Argument, Luxemburg sei zu klein für die ICMA und könne wohl kaum dazu beitragen, die ICMA als einen der wichtigsten internationalen Musikpreise aufzubauen, wischte er meinen Vorschlag vom Tisch. Die Kulturministerin Octavie Modert war natürlich nicht stark genug, um diese Haltung zu korrigieren und winselte mir gegenüber, ob er diesen Preis bei sich aufnehmen wolle oder nicht, sei allein die Entscheidung von Naske. Danke Frau Modert, Sie haben Luxemburg vorbildlich gedient!

Die perfide Argumentation des Ex-Machthabers von Naskezistan erinnert mich an die Art und Weise, wie er einen international renommierten Pianisten abfertigte. Josef Bulva, denn um diesen Pianisten handelt es sich, hatte in einer Unterredung mit ihm gebeten, ihm doch für ein Konzert den Kammermusiksaal der Philharmonie anzubieten. Naske meinte, der Pianist sei viel zu berühmt, um im kleinen Saal zu spielen, für ihn komme wirklich nur das große Auditorium in Frage, doch leider gebe es dort keinen freien Termin für ihn….

In der Folge übernahm ich es, ein Konzert für Bulva im Stadtluxemburger Konservatorium  zu organisieren, weil ich davon überzeugt war, dieser herausragende Pianist mit Luxemburger Pass habe ein Anrecht darauf, im Jahr seines 70. Geburtstags nach vielen Konzerten im Ausland wieder einmal in Luxemburg zu konzertieren. Wir hatten ein Datum im Februar 2013 ausgewählt, an dem der Philharmonie-Broschüre zufolge kein Konzert angekündigt war. Doch Naske hatte ein Konzert mit dem Luxemburger Jean Müller in der Philharmonie eingeplant, welches nicht in der Jahresbroschüre stand. Und auf einem mir nicht bekannten Weg hatte er von dem Bulva-Konzert im Musikkonservatorium erfahren. Daraufhin rief er kurzerhand bei Bulva zuhause an und teilte diesem mit, er könne unmöglich an dem Abend auftreten, an dem er, König Naske, in der Philharmonie einen anderen Pianisten präsentiere. In seiner gutmütigen Art gestand Bulva Naske dies zu und bat mich, das Konzert abzusagen (dass Bulva an dem neuen Termin, der dann gefunden wurde, erkrankte und nicht auftreten konnte, war eine unglückselige Folge dieser ersten, von Naske erzwungenen Absage). Verständlich wäre Naskes Verhalten vielleicht noch gewesen, wenn er sich sonst immer um eine Koordination mit anderen Veranstaltern gekümmert hätte. Das aber war nicht der Fall. Und wie gemein sein Handeln in diesem präzisen Falle war, zeigt sich dadurch, dass er nicht davor zurückscheute, sogar mehrere Konzerte im eigenen Haus in Konkurrenz zu setzen. Ein treffendes Beispiel liefert der erste Montag in diesem November, wo im großen Saal einer der weltbesten Pianisten auftritt, Grigory Sokholov, während im Kammermusiksaal die Luxemburger Pianistin Michèle Kerschenmeyer spielt und im ‘Espace Découverte’ das Remix Ensemble der ‘Casa da Música’ aus Porto konzertiert.

Viel zu sagen wäre auch zur Programmation Naskes und seiner Vorliebe für gewisse Künstler (und dabei vor allem seine Landsleute) und seine Ablehnung vieler anderer. Festgehalten sei in dem Kontext in erster Linie, dass die Philharmonie einfach zu viele Konzerte veranstaltet und das Publikum derart überfordert, dass die anderen Veranstalter im Lande darunter doch sehr zu leiden haben. Und warum konnte  Naskezistan so viele Konzerte organisieren?  Weil das Geld da war! Weil die Luxemburger Philharmonie gegenüber anderen Veranstaltern übermäßig bevorzugt behandelt wurde (und wird).

Nicht zu Unrecht sagte der Präsident des Nationalen Kulturfonds, Jo Kox, in einem Interview mit der Zeitschrift Forum: « Les instituts culturels ne sont pas tous ‘traités’ de la même manière, indépendamment de leur forme juridique (…)Pour beaucoup, la Philharmonie est la ‘success story’ par excellence de notre politique culturelle. Alors pourquoi ne pas appliquer son modèle aux autres instituts culturels: allouer une dotation financière à la hauteur de leur rang et de leurs ambitions(…). »Remy Franck

 

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