Sachsen ist ein wirkliches Kulturland. Neben seinen Kunstschätzen feiert hier die Musik immer wieder Hoch-Zeiten. Nur zwei Tage nach dem Auftakt des großen Shostakovich Festivals in Leipzig begannen in Dresden die Musikfestspiele 2025. Michael Oehme berichtet.
In Leipzig das Gewandhausorchester und das Boston Symphony Orchestra, in Dresden das NHK Symphony Orchestra Tokyo, die Staatskapelle und das Chicago Symphony Orchestra – und das innerhalb von fünf Tagen. Dazu Dirigenten und Solisten von Weltklasseformat. Zum Auftakt in Dresden waren die Musiker aus Japan auf ihrer Europa-Tournee unter der Leitung ihres derzeitigen Chefdirigenten Fabio Luisi in der Frauenkirche und im Kulturpalast der Elbestadt zu Gast. Für Fabio Luisi bedeutete es eine erneute Heimkehr nach Dresden. Luisi war von 2007 bis 2010 Chefdirigent der Staatskapelle Dresden und Generalmusikdirektor der Semperoper.
Schon einmal, 1983, gab es ein Gastspiel des NHK bei den Musikfestspielen. Jetzt grüßte es aus Japan mit den Three Film Scores von Toru Takemitsu, drei intensiven Stücken für Streichorchester, leicht jazzig im ersten, tief anklagend (aus dem auf Hiroshima und Nagasaki beruhenden Film Schwarzer Regen) und einem versöhnlichen Walzer aus Hiroshi Teshigaharas Film Das Gesicht des anderen. Die Qualitäten der Streicher aus Tokyo wurden sofort wahrnehmbar, sie glänzten warm und leuchtend. Das traf dann auch in Alban Bergs Violinkonzert ‘Dem Andenken eines Engels’ auf die Bläser zu. Traumwandlerisch sicher und tonschön spielte Akiko Suwanai den Solopart. Unter Luisis Stabführung wurde die komplizierte Struktur des zwölftönigen Werkes bis hin zum Bach-Choral ‘Es ist genug’ für die Hörergemeinde in der Frauenkirche sehr deutlich und nachvollziehbar.
Nach der Pause folgte Johannes Brahms´ vierte Symphonie . Schon mit dem sanften Einschwingen am Anfang der Symphonie gewannen die Gäste aus Japan für sich und kamen mit der schwierigen Akustik der Frauenkirche erstaunlich gut zurecht. Wärme u n d Energie strömten aus diesem Brahms, berückend schön klangen die ruhigen Episoden im Finale. Als Zugabe gab es ein äußerst delikat und fein ziseliertes Allegretto scherzando aus Beethovens 8. Symphonie . Das Dresdner Publikum wollte das Orchester aus Fernost nur ungern vom Podium entlassen.
Tags drauf gab es im immer wieder zu rühmenden neuen Konzertsaal des Kulturpalastes zunächst das Cellokonzert C-Dur von Joseph Haydn. Bewundernswert, wie sich Jan Vogler, der Intendant der Musikfestspiele in seiner Verantwortung für ein solch großes Festival noch einer derart anspruchsvollen solistischen Aufgabe stellte. Vogler spielte seinen Part beherzt mit Temperament und schönem vollen Ton. Luisi und die NHK-Musiker waren ihm dabei hörbar und sichtlich heiter-freundliche Begleiter. Zur Sternstunde geriet dann Gustav Mahlers 4. Symphonie in G-Dur. So gelöst, überirdisch entspannt und klangschön, aber auch spitzfindig artikuliert in den Ländler- und Marschpassagen wüsste ich sie lange nicht gehört zu haben. Gern würde ich die Namen des Konzertmeisters und der Oboen-, Horn-, und Trompetensoli nennen. Ying Fang, an der Metropolitan Opera gefeierte Mozart-Interpretin, sang das abschließende Lied von den Himmlischen Freuden. Mit ihrem glockenhellen Sopran nahm sie sofort für sich gefangen, aber auch – wohl absichtlich verinnerlicht – so zurück, dass sie stellenweise unhörbar blieb.
Ein ganz anderer Mahler folgte dann am Folgeabend bei den Dresdner Musikfestspielen: Seine 7. Symphonie mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Jaap van Zweden. Als eines der Big Five, der fünf besten Orchester der Vereinigten Staaten, war es in voller Besetzung und Leistungsstärke nach Dresden gekommen. Souverän steuerte van Zweden den Orchesterapparat in allen herausragend gut besetzten Positionen. Lautstärke und Kraft hätten allerdings etwas weniger sein können. Umso schöner und wohltuend die beiden Nachtmusiken, die von den Musikerinnen und Musikern aus Chicago tief ausgelotet wurden.
Und last but not least noch ein Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper. Zum Shostakovich-Jubiläum spielte Sol Gabetta das erste Cellokonzert in Es-Dur. Vollendet gelang das Zusammenspiel mit ihrer edlen und zugleich engagierten Tongebung und dem Orchester unter Tugan Sokhiev. Der konnte dann mit Anton Bruckners siebenter Symphonie noch in himmlische Sphären aufsteigen, was wörtlich zu verstehen war, wenn sich gleich zu Beginn über den Tremoli der Streicher (dem Schimmern der Dresdner Geigen – Richard Wagner) die melodischen Linien in höchste Höhen emporschwingen. Inbrünstig dann der Streicherklang und natürlich der Bläsersound der Tuben im Adagio, das Bruckner 1883 unmittelbar nach dessen Tod Wagner gewidmet hat. Gab es noch eine Steigerung? Im Finale fand sie statt. Mit Tugan Sokhiev setzten die Dresdner wohl dosiert und wirkungsvoll wie Edelsteine einen orchestralen Glanzpunkt auf den anderen. Man wollte es nicht glauben, dass noch mehr Klangpracht möglich ist. Welch Glück hat Dresden und Sachsen mit diesem Orchester!