Manfred Honeck
(c) Jason Cohn

Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen hat Konzerte bei den Dresdner Musikfestspielen besucht. Hier ist sein Bericht.

Wie eigentlich in jedem Jahr boten aus diesmal die Dresdner Musikfestspiele ein abwechslungsreiches, interessantes und hochkarätiges Programm an verschiedenen Aufführungsstätten an. Intendant Jan Vogler gelingt es immer wieder, mit viel Fantasie und Mut neue Wege in der Programmgestaltung zu gehen und somit die Musikfestspiele zu einem wirklichen Ort der Begegnungen und des kulturellen Austauschs zu machen.

Jan Vogler sagt über das diesjährige Leitthema ‘Zeit’: « Die Beziehung von Zeit und Musik hat mich stets sehr interessiert. Große Musik steht immer entweder im Einklang mit oder im scharfen Kontrast zu der Zeit, in der sie komponiert wird. Die Prägung verliert sich auch nach Jahrhunderten nicht, sie ist ihr Lebenselixier. Die Musik erzählt die Geschichte ihrer Zeit lebendig und atmosphärisch, Musik ist oft das emotionale Gedächtnis ihrer Schaffensperiode. Zugleich beeinflusst die Aufführung von Musikstücken unser Zeitgefühl. Sie rast und treibt uns vor sich her, sie steht still, sie fließt in Harmonie mit unserem Organismus oder quält uns in ihrer Eindringlichkeit. Ein gutes Konzert ermöglicht uns immer auch einen magischen gedanklichen Diskurs zwischen Vergangenheit und Zukunft.“

Zwei gute, ja hervorragende Konzerte besuchten wir am 21. und 23. Mai in Dresden. Besonders gespannt waren wir auf den Dirigenten Omer Meir Wellber, einen Senkrechtstarter, der seit seiner Assistenz bei Daniel Barenboim eine fulminante Karriere gemacht an und inzwischen von allen großen Orchestern und Opernhäusern eingeladen wird. In Dresden dirigierte Wellber eine denkwürdige Aufführung von Gustav Mahlers 8. Symphonie. Das Konzert fand in der Kreuzkirche statt, die insgesamt rund 3.000 Menschen Platz bietet. Auch das Aufgebot der Mitwirkenden war riesig: Das ‘Israel Philharmonic Orchestra’ wurde durch Mitglieder des Sinfonieorchesters der Dresdner Hochschule verstärkt, an der Aufführung nahmen ebenfalls der Philharmonische Chor Prag, die Singakademie Dresden, der Universitätschor Dresden, der Knabenchor Dresden sowie der Kinderchor der Singakademie Dresden teil. Das Solistenensemble war international: Sarah-Jane Brandon, Rachel Willis-Sorensen und Hila Baggio, Sopran, Waltraud Meier und Gala el Hadidi, Alt, Lance Ryan, Tenor (der kurzfristig für den erkrankten Steffano Secco) eingesprungen war, Christoph Pohl, Bariton und Gabor Bretz, Bass. Es war eine atemberaubende, hochintensive Interpretation in wunderbarer Kulisse. Wellber erwies sich als sicherer und enorm inspirierter Mahler-Interpret, der es verstand, alle Mitwirkenden und natürlich auch das Publikum in seinen Bann zu ziehen. An keinem Moment ließ die Innenspannung nach, ja fast mit Leichtigkeit koordinierte der Dirigent das über hundert Mann starke Orchester und die riesigen Chöre mit mindestens 400 Mitwirkenden. Ergreifend und dynamisierend, subtil und zugleich musikalische Grenzen sprengend, klangprächtig und zart: eine Achte, wie man sie nur ganz selten zu hören bekommt und somit ein Mahler der Superlative. Omer Meir Wellber ist zweifelsohne ein Dirigent, den man sich unbedingt merken muss!!

PSO_honeck

Pittsburgh Symphony & Manfred Honeck © Stephan Floss

Zwei Tage später war es ein Konzert mit dem ‘Pittsburgh Symphony Orchestra’, das uns regelrecht vom Hocker riss. War es auch ein typisches Tournee-Programm, das uns die Pittsburgher hier vorstellten, so waren die Interpretationen meisterlich und über allen Zweifel erhaben. Das PSO ist ein Orchester, das jetzt in der ersten Liga spielt, zusammen mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, dem ‘Boston Symphony’ und dem ‘Concertgebouw Orkest’.

Manfred Honeck hat dieses Orchester in den letzten Jahren auf Vordermann gebracht; jetzt dürfen die amerikanischen Musiker zeigen, dass sie den subtilen Charme eines Haydn ebenso beherrschen, wie die Virtuosität eines Liszt oder die emotionale Kraft eines Tschaikowsky.

Mit  Haydns Symphonie Nr. 93 begann das Konzert im Lichthof des Albertinum. Honeck ließ das Werk mit wienerischem Charakter aufspielen und das PSO folgte seinem Dirigenten bedingungslos und mit einem wunderbaren Gefühl für das Tänzerische, für das Derbe, aber auch für das Augenzwinkern in dieser Musik.

Der junge Daniil Trifonov begeisterte uns anschließend mit einer ebenso berauschenden wie exzentrischen (aber immer richtigen) Interpretation von Liszts 1. Klavierkonzert. Nach der Pause dirigierte Honeck eine ungemein aufregende und zum Teil zerrissene Interpretation von Tschaikowskys 4. Symphonie. Das Spiel des PSO war atemberaubend. Klangprächtig, doch nie überzogen, dafür mit viel Liebe und Gefühl für die Details wurde diese Aufführung durch diese wunderbaren Musiker dann ebenfalls zu einem musikalischen Hochgenuss, der das Publikum zu jubelndem Applaus hinriss.

 

 

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