Nikolaus Harnoncourt - Opera Collection; Ludwig van Beethoven: Fidelio; Carl Maria von Weber: Der Freischütz; Robert Schumann: Genoveva; 1 Blu-ray Arthaus Musik 108129; 1999-2008; 439 Min. – Rezensionen von Alain Steffen und Guy Wagner

Drei in der Qualität sehr unterschiedliche Opernaufführungen vereint Arthaus Musik auf dieser Harnoncourt-Blu-ray. Dazu gehören eine phänomenale ‘Fidelio’-Inszenierung, ein musikalisch kaum zufriedenstellender ‘Freischütz’ und eine ‘Genoveva’, die nur musikalisch begeistert.

Ludwig van Beethoven: Fidelio; Camilla Nylund, Jonas Kaufmann, Laszlo Polgar, Alfred Muff, Chor und Orchester der Oper Zürich, Nikolaus Harnoncourt; Surround & Stereo; Bild 16:9; 2/04 (134’)
Ein Geniestreich ist der Mitschnitt einer Fidelio-Aufführung aus der Zürcher Oper. Welch eine atemberaubende Leonore (Camilla Nylund), welch ein subtiler Florestan (Jonas Kaufmann)! Allein wegen dieser beiden wundervollen Sänger ist dieser ‘Fidelio’ ein Must. Aber der Käufer wird weiter verwöhnt, sei es nun mit Polgars stimmgewaltigem und sehr menschlichem Rocco, sei es mit dem dämonischen Pizarro von Alfred Muff, mit der liebenswerten Elisabeth Shue Magnusson als Marzelline oder dem lyrischen Christoph Strehl als Jaquino. Harnoncourt am Pult des bestens disponierten Züricher Opernorchesters leistet fast Übermenschliches und schenkt uns einen der wohl wunderbarsten ‘Fidelio’-Produktionen, die zurzeit auf Ton resp. Bildträger zu haben sind. Und wie uns Camilla Nylund in einem Interview erzählte, soll diese Zürcher Produktion auch der endgültige Abschied Harnoncourts von Beethovens ‘Fidelio’ sein. Vielleicht erklärt das auch diese gewisse Magie, die hier in jedem Ton mitschwingt. Verantwortlich für die Inszenierung ist Jürgen Flimm, der Fidelio sehr modern, aber doch schlüssig in Szene setzt und dabei viel Wert auf die Psychologie der Charaktere legt. Die Geschichte bleibt verständlich und durch den Verzicht auf klassische Opernszenerie und -gestik wirkt dieser Fidelio sehr authentisch und spannend wie ein Thriller. Steff

Carl M. von Weber: Der Freischütz; Inga Nielsen, Malin Hartelius, Peter Seiffert, Matti Salminen, Robert Holl, Chor und Orchester des Opernhauses Zürich, Nikolaus Harnoncourt; Surround & Stereo; Bild 16:9; 1999 (159′)
Wenn Ruth Berghaus ein Werk wie den Freischütz inszeniert, dann darf man sich als Zuschauer auf etwas gefasst halten. Und in der Tat, Berghaus räumt mit dieser romantischsten aller Opern auf. Da gibt es keine bunten Wälder, keine Jägerstrachten und auch keine vollbusigen Mägde. Die Regisseurin schafft einen Bühnenraum mit schlichten Formen und erweitert somit das Handlungsspektrum der Oper. Die Kostüme sind alle dunkel gehalten, so dass sich das Auge unweigerlich auf die Handlung konzentriert. Die ist natürlich in allen Punkten hervorragend ausgearbeitet, ist also richtiges Musiktheater im modernen Sinne. Berghaus kommt ohne Effekte aus und inszeniert gradlinig. Das ist sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack, aber in Sachen Logik, Psychologie und Lebendigkeit kann keiner der Regisseurin etwas vormachen. Sängerisch hält sich die Begeisterung allerdings in Grenzen. Seiffert ist nicht mehr als ein nur guter Max, sein Gegenspieler ist Matti Salminen als Kaspar, darstellerisch imposant, aber stimmlich nicht mehr ganz taufrisch. Die beiden Frauenrollen werden von Inga Nielsen (Agathe) und Malin Hartelius (Ännchen) gesungen. Beide bieten solide Leistungen inmitten eines guten, wenn auch nicht herausragenden Ensembles. Harnoncourt dirigiert ohne romantischen Pathos und somit ganz im Sinne der Regisseurin. Allerdings wird der musikalische Fluss durch einige gewollte Eskapaden Harnoncourts und etliche überbetonte Akzente mehr als einmal gestört. Auch in der Begleitung der Sänger bleibt der Dirigent diesmal hinter den Erwartungen zurück. Steff

Robert Schumann: Genoveva; Juliane Banse, Genoveva, Shawn Mathey, Golo, Martin Gantner, Siegfried, Cornelia Kallisch, Margaretha, Alfed Muff, Drago; Chor & Orchester des Opernhauses Zürich, Nikolaus Harnoncourt; Regie: Martin Kusej; Bühne: Rolf Glittenberg; Bild 16:9; Stereo & Surround; 2008 (146′)
Im Februar 2008 erfüllte das Opernhaus Zürich Nikolaus Harnoncourt, der in Robert Schumanns Genoveva die bedeutendste Oper der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sieht, einen Herzenswunsch. Das Libretto stammt von Schumann selbst. Es ist eine düstere, eine schauderhafte Geschichte, aber die Musik ist außerordentlich und wird von Harnoncourt begeisternd gestaltet. Er streicht das Neue im Melodischen, das Scharfe, Dissonante und Originelle im Instrumentalen hervor und treibt die innere Dramatik konsequent voran: Bewundernswert! Juliane Banse, eine innige, sensible, rührende Genoveva, beseelt die Partie; Martin Gantner wirkt weniger ausgeglichen als Siegfried; Shawn Mathey ist ein scharf profilierter Bösewicht Golo; noch schärfer zeichnet Cornelia Kallisch die triebhaft böse Margaretha; Alfred Muff brilliert als Drago. So weit, so gut. Aber da gibt es noch die Inszenierung, die die Handlung in eine Art zeitlose Jetztzeit verlegt, und die ist – na ja – eigentlich für solche ist, die nach Blut gelüsten. So wie Regisseur Martin Kusej eben, der in seiner Blutorgie (es ist nicht seine erste!) tatkräftig unterstützt wird vom Aktions-‘Künstler’ Hermann Nitsch. Ich weiß, jetzt schreit so manch einer auf. Soll er es tun, aber mit derartigem Ge-Happenings kann ich nun einfach nichts anfangen, und ob die Regietat der beiden Herren, wie behauptet wird, mit Psychologie und Seelenentblößung oder eher mit geistiger Masturbation zu tun hat, sollen andere entscheiden. Ob demnach diese Inszenierung, wie behauptet wird, einer Ehrenrettung für Schumanns Genoveva gleichkommt, die als Bühnenfigur natürlich auch noch nackt auftauchen muss, soll ebenfalls dahingestellt sein. Immerhin es ist die Produktion im Musikalischen, um das aber festzustellen, genügt mir eine CD. GW

On this Blu-ray, Arthaus Musik reunites three operas conducted by Nikolaus Harnoncourt. The quality is very unequal. Fidelio is shown in an excellent production. The staging of Freischütz is convincing, while the music is rather poor. The opposite is true for Schumann’s Genoveva.

 

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