Claude Debussy: Images Heft I; Alberto Ginastera: Klaviersonate Nr. 1; György Ligeti: Etüde Nr. 5 (Etudes for Piano, Heft 1); Sergei Prokofiev: Klaviersonate Nr. 6; Dmytro Choni, Klavier; 1 CD Naxos 8.574136; Aufnahme 04/2019, Veröffentlichung 22/05/2020 (66'23) - Rezension von Remy Franck

Auf seiner Debüt-CD spielt der 1993 geborene ukrainische Pianist Dmytro Choni ein Programm mit Werken des XX. Jahrhunderts. Den Gewinner der Paloma O’Shea Santander Piano Competition 2018 habe ich schon mehrmals live hören können und kam dabei zur Überzeugung, « dass er sich in den kommenden Jahren als einer der großen Interpreten am Klavier etablieren wird. Er ist in einem breiten Repertoire zuhause und findet für jeden Komponisten, dessen Werke ich mit ihm gehört habe, den genuin richtigen Zugang in technisch ausgefeilten Interpretationen, deren ernsthafter und intelligenter Ansatz zu unmanierierten, sehr natürlichen Darbietungen führt, die wirklich nie Beliebigkeit zeigen, sondern immer spannend sind. » Und diese CD bestätigt auch, was ich ebenfalls nach einem Konzert schrieb: « Seine Kunst des Phrasierens, des Singens, des Abtönens, aber auch die Kontrolle der Dynamik, die Transparenz und gegebenenfalls auch die stupende Virtuosität sind überragend. Von seinem Spiel geht somit immer die Aura höchsten künstlerischen Anspruchs und feinster Sensibilität aus ». Die Aufnahmen zeigen einen ernsthaften, sich um die Kunst des Interpretierens bemühenden Pianisten, der sich ohne irgendwelche Mätzchen, ohne Showgebaren, ohne Ego-Capricen in den Dienst der Komponisten und der Musik stellt. Eine derartige Seriosität kann man nicht genug würdigen.

In Claude Debussys Images, Bilder, steht der Titel für den Wunsch, mit den traditionellen Modellen der Musik des 19. Jahrhunderts zu brechen. Der Begriff Impressionismus war für den Komponisten jedoch nicht angemessen, und seine Klaviermusik ist eher eine Suche nach neuen Klängen. Das erste Bild, Reflets dans l’eau, Reflexionen im Wasser, das 1903, im selben Jahr wie La Mer entstand, suggeriert eine ‘flüssige’ Vision, ohne unbedingt beschreibend zu sein. Das gleiche gilt für die anderen Bilder, wo die Suche nach Formen mit der intimen Vision des Komponisten kombiniert wird.

Dmytro Coni hat die Leichtigkeit von Debussys Klangwelt nachempfunden, ohne die Wirkung der Farbe zu missbrauchen. Seine Interpretation, voller Klarheit, aber gleichzeitig auch mit viel Wärme, ist verinnerlicht und neigt in den Reflets und in Hommage à Rameau zum Poetischen, während in Mouvement das Drängende sich nicht motorisch äußert, sondern wie ein Kreisel dreht, der auch mal zu kippen droht und taumelnd Kraft nimmt für einen neuen Anlauf. Chonis Debussy ist rein und fein, perfekt in der Form, ohne Effekte, ohne übertriebene Verfeinerung, und immer kommunikativ musikalisch.

Ginastera komponierte drei Klaviersonaten, die erste im Jahre 1952, als der Komponist 34 Jahre alt war. Sie gehört der dritten Periode seines Schaffens an, dem ‘subjektiven Nationalismus’, in dem die nationale Komponente mit modernen Elementen gemischt wird.

Dmytro Choni steigt dramatisch in den ersten Satz, Allegro marcato, ein, jedoch nicht aggressiv, wie andere es getan haben. Das erlaubt es ihm, den Satz in einem sehr gut gesteuerten Bogen von Intensität und Entspannung zu organisieren.

Sehr energetisch und mit hoch virtuosem Drive folgt das Presto Misterioso, ehe Choni im Adagio molto appassionato sehr sensuell und reflektiv spielt. Nach dieser stockenden Melancholie bringt das Finale ekstatische Tanzbewegungen, in denen der ukrainische Pianist zeigt, dass er auch extremer Fingerakrobatik gewachsen ist.

Nach der quasi als farbig schillerndes, aber auch kontrastreiches Intermezzo eingeschobenen Fünften Etüde von György Ligeti bewundert man in Prokofievs Sechster Sonate eine Interpretation, in der sich intelligente Gestaltung, Virtuosität und technische Versiertheit auf idealste Weise ergänzen. In seinem atemberaubenden Spiel gelingt es Choni, den modernen Charakter dieser Sonate deutlich zu vermitteln, obwohl seine Tempi eher moderat sind (im Ganzen braucht er fast sechs Minuten mehr als Richter in seiner legendären Carnegie-Interpretation).

Bei Choni sind die rhythmische Strenge und die Ausleuchtung der Partitur hinsichtlich moderner Klänge ebenso beeindruckend wie die Fähigkeit, in einem kraftvollen Spiel immer wieder auch subtile Nuancen zu ermöglichen und generell eine farbenprächtige Auslegung von Prokofievs Musik zu erzielen, was vielen Pianisten nicht gelingt, die stur auf Vehemenz setzen. Dabei bleibt die zwingende Interpretation immer natürlich. Nichts wirkt aufgesetzt oder vorbereitet, so dass die Sonate den Hörer eine halbe Stunde lang magisch in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt. Wo andere junge Pianisten sehr gut spielen, besitzt Dmytro Chonis vollblutiges Spiel schon wirkliche Größe und einen genialen Atem. Ähnlich wie die größten Prokofiev-Interpreten, hat Choni ab der ersten Note den tiefen Kern der Musik erfasst und kann sie absolut richtig wiedergeben, musikalisch reicher als man dieses Werk meistens hört.

On his debut CD, the Ukrainian pianist Dmytro Choni plays a programme of works from the XXth century. In several live concerts in which I was able to hear this pianist, I came to the conclusion « that he will be one of the great performers of the coming years. He is at home in a broad repertoire and finds for every composer the genuinely right way in technically sophisticated interpretations. His serious and intelligent approach leads to unmannered, very natural performances that really never show arbitrariness but are always exciting ». The CD confirms what I wrote after a concert: « His art of phrasing, his lyricism, the nuances and the perfect control of dynamics, the transparency and, if necessary, the stupendous virtuosity are outstanding. His playing thus always emanates the aura of the highest artistic goal and finest sensitivity ». The recordings show a profoundly serious pianist at the service of composers and the music, without any gimmicks, without showmanship, without ego-capriciousness. Such seriousness cannot be appreciated enough.
In Claude Debussy’s Images, the title stands for the desire to break with the traditional models of 19th century. However, the term Impressionism was not appropriate for the composer, and his piano music is more a search for new sounds. The first Image, Reflets dans l’eau, Reflections in Water, composed in 1903, the same year as La Mer, suggests a ‘fluid’ vision without necessarily being descriptive. The same goes for the other Images, where the search for forms is combined with the composer’s most intimate musical vision.
Dmytro Coni’s playing has the lightness of Debussy’s music without abusing the effect of colour. His interpretation, full of clarity but at the same time with a great deal of warmth, is internalized and tends towards the poetic in the Reflets and in Hommage à Rameau, while in Mouvement the urgency is not expressed in a motoric way but rather turns like a spinning top that sometimes risks to tip over and, tumbling, takes strength for a new start. Choni’s Debussy is pure and fine, perfect in form, without effects, without exaggerated refinement, and always communicatively musical.
Ginastera composed three piano sonatas, the first in 1952, when the composer was 34 years old. It belongs to the third period of his work, the ‘subjective nationalism’, in which the national component is mixed with modern elements.
Dmytro Choni launches the first movement, Allegro marcato, dramatically but not, as others have done, aggressively. This allows him to organize the movement in a very well controlled journey of intensity and moderation.
With a highly virtuoso drive the Presto Misterioso is very energetic, while the Adagio molto appassionato is very sensitive and reflective. After this hesitating melancholy, the finale is an ecstatic dance movement, in which the Ukrainian pianist shows that he is up to extreme finger acrobatics.
After György Ligeti’s Fifth Etude, which is inserted as a colourful, shimmering, but also contrasting intermezzo, Prokofiev’s Sixth Sonata comes in one intelligent, virtuoso and technically flawless interpretation. In his breathtaking playing, Choni succeeds in clearly conveying the modern character of this sonata, although his tempi are rather moderate (in all, he needs almost six minutes more than Richter in his legendary Carnegie interpretation).
In Choni’s case, the rhythmic rigour and the modern character are just as impressive as his ability to allow for subtle nuances and generally to achieve a colourful interpretation of Prokofiev’s music, something that many pianists who stubbornly rely on vehemence fail to achieve. At the same time the compelling interpretation always remains natural. Nothing seems set up or prepared, so that the sonata magically captivates the listener for half an hour. Where other young pianists are very good, Dmytro Choni’s thoroughbred playing already possesses real greatness and ingenious breath. Similar to the greatest Prokofiev interpreters, he has captured the deep core of the music from the first note. His playing is absolutely correct and musically richer than most of the other performances.

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