Wolfgang Rihm: Über die Linie für Violoncello solo; Benedict Kloeckner, Cello; 1 CD Plaist Music  007; Aufnahme 9/2019; Veröffentlichung 27/07/2020 (35'25) – Rezension von Uwe Krusch

Neben dem Aufnahmeort, dem aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden Bunker unter den UFA Studios in Berlin, ist Rihms ‘Über die Linie’ auch durch seine Herausforderungen an den Solisten ungewöhnlich. Gut eine halbe Stunde entfaltet sich die Komposition für einen Cellisten. Von zartem Hauch bis zu eruptivem Ausbruch reichen die auszudrückenden Welten, die einem Musiker alles abverlangen. Dabei verlässt das Werk nie den sanglichen Charakter, so dass trotz der zeitgenössischen Notation das Zuhören nicht strapaziert. Vielmehr kann der Lauschende sich diesem von Heinrich Schiff zunächst als unspielbar angesehenen Stück in einem Satz getrost annehmen: Die Aufnahme in einem langgestreckten klar strukturierten Saal mit Tonnengewölbe, der einen kräftigen natürlichen Hall hervorruft, bietet die kraftvolle Vorgabe, auf der der Solist die Linie entfalten kann. Benedict Klöckner ist ein junger Instrumentalist, der eine Vorliebe für modernes Repertoire im Allgemeinen und für die Musik von Wolfgang Rihm insbesondere hat. Er versteht sich darauf, diese unbändige Kraft im Stück und die Aufnahmesituation so zu lenken, dass Örtlichkeit und Celloton ein kraftvolles Mehr und nicht einfach eine Addition ergeben und trotzdem kein ungezügelter Ausbruch dabei herauskommt. Dass Dank des ausgeprägten, aber natürlichen Halls, sogar so etwas wie Duoeffekte entstehen, tut dem keinen Abbruch. Mit Rihms Zutaten für das Werk ‘Über die Linie’ und dem außergewöhnliches Aufnahmerezept kommt es zu einem äußerst geschmackvollen Ergebnis.

The recording location, the bunker under the UFA Studios in Berlin, which dates from the Nazi era, is as unusual as Rihm’s extremely challenging work Über die Linie, which was considered unplayable by Heinrich Schiff. The expression ranges from the most fragile passages to eruptive outbursts, yet the music work never loses its lyrical character, so that despite the contemporary notation, listening is certainly not stressful.
Benedict Klöckner is a young instrumentalist who has a preference for modern repertoire in general and for the music of Wolfgang Rihm in particular. He knows how to direct the irrepressible power in the piece and uses the recording location with its natural reverb in such a way that place and cello together bring added value. With the ingredients for Wolfgang Rihm’s work and the extraordinary recording conditions Kloeckner is able to provide an extremely attractive performance.

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