Johann Sebastian Bach: Messe h-Moll BWV 232; Robin Johannsen, Sopran, Marie-Claude Chappuis, Mezzosopran, Helena Rasker, Alt, Sebastian Kohlhepp, Tenor, Christian Immler, Bassbariton, RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, Rene Jacobs; 2 CDs Harmonia Mundi 902676.77; Aufnahme 08.2021,; Veröffentlichung 13.05.2022 (104') – Rezension von Uwe Krusch

René Jacobs folgt in dieser Einspielung mit einer variierenden Chorbesetzung Wilhelm Ehmann, der vor gut 60 Jahren gerade in Bezug auf die h-Moll Messe eine Unterscheidung in ‘Concertisten’ und ‘Ripienisten’ je nach Aufgabe des Chors im Stück postulierte. Dabei schließt Jacobs die Solisten partiell in den Chor ein. Neben rein solistisch besetzten Arien werden mit jeweils drei Personen besetzte Passagen und auch der volle Chor mit bis zu sieben Mitgliedern pro Stimme mit oder ohne Solisten verwendet. Damit werden Unterschiede im Volumen, aber auch Fragen der Textverständlichkeit gelöst. So beschreibt er sein Hauptaugenmerk bei dieser Aufnahme.

Das Ergebnis ist eine rundum gepflegte und der Gesamtlinie folgende Interpretation, bei der die unterschiedliche Dichte des Gesangs deutlich zum Tragen kommt. Damit hat sie gegenüber den meisten anderen Aufnahmen ein Alleinstellungsmerkmal. Diese Überlegungen erscheinen sinnvoll, denn auch im Orchester werden, ohne darüber nachzudenken oder gar zu diskutieren, Solisten, kleinere Gruppen oder das gesamte Ensemble genutzt.

Auch im Übrigen bietet diese Fassung der Messe von Bach reichlich Anlass zu freudigem Hören. Jacobs lässt seine Ensembles schon strukturell klar singen, bietet aber einen Klang an, der sanftes, messiges und liebliches Singen, wie es Prätorius mal nannte, und auch Spielen, durchweg zur Anwendung kommen lässt. Lediglich in vollbesetzen Passagen, etwa beim Osanna in excelsis, kommt es zu einer strahlenden Klangfülle, dass man sich sogar zu den effektvollen Werken von Händel versetzt sieht. Dabei weicht Jacobs aber auch hier nicht davon ab, das Werk so darzustellen, dass es weich und angenehm wirkt. In der Fotografie würde dazu ein Weichzeichner eingesetzt, der den Bildern eine geringe nebelhafte Gestalt gibt, so dass Konturen nicht in das Gesamtbild einschneiden. Mir persönlich gefällt es ohne dieses Stilmittel besser. In der Gestaltung der Tempi findet eine plausible Konzeption, die in langsamen Sätzen zusammen mit dem weichen Ansatz den Hörer nur wenig mitzieht.

Die Akademie für alte Musik Berlin liefert dazu den gewohnt engagierten und sensiblen instrumentalen Ton, der diesem auf historische Praxis ausgerichteten Ensemble so liegt. Immer mal wieder kommen die historischen Instrumente besonders zur Geltung, wobei insbesondere die Hörner immer wieder Anlass zum Aufhorchen bieten, weil sie nun einmal schwer zu intonieren sind.

Der RIAS Kammerchor hat seine in Jahren erworbene Qualität immer halten können wenn nicht sogar noch verbessert und löst auch die Anforderungen aus den unterschiedlich großen Besetzungen mit Verve.

Das Solistenquintett bildet weitgehend eine stimmliche gleichwertige Ergänzung zu den anderen Beteiligten, wobei die Mezzosopranistin Marie-Claude Chappuis etwa im Laudamus te mit unsicher klingender Gesangslinie ein wenig nach unten abweicht.

Abgesehen von diesen kleinen Anmerkungen, die ein anderer Hörer hinsichtlich der feinen runden Darstellung statt stärkerer Konturierung durchaus auch anders beurteilen mag, findet sich hier eine in sich geschlossene Deutung, die mit dem variablen Einsatz der Singstimmen eine Sicht betont, die durchaus hörenswert ist.

René Jacobs follows in this recording with a varying choral instrumentation Wilhelm Ehmann, who postulated a distinction between ‘concertists’ and ‘ripienists’ depending on the task of the choir in the piece a good 60 years ago, especially with regard to the Mass in B minor. Here Jacobs partially includes the soloists in the choir. In addition to arias scored purely for soloists, passages scored with three persons each and also the full choir with up to seven members per voice are used with or without soloists. This arranges differences in volume, but also questions of text comprehensibility and describes his main focus in this recording.
The result is a well-rounded interpretation that follows the overall line, with the varying density of the singing coming through clearly. Thus it has a distinguishing feature compared to most other recordings. These considerations seem sensible, since soloists, smaller groups or the entire ensemble are also used in the orchestra without thinking about it or even discussing it.
In other respects, too, this version of Bach’s Mass offers ample cause for joyful listening. Jacobs has his ensembles sing with structural clarity already, but offers a sound that allows gentle, brassy and sweet singing and also playing, to be used throughout. Only in passages with a full orchestra, for example in the Osanna in excelsis, does a radiant sonority emerge that one even feels transported to the brilliant style of Handel. Yet Jacobs does not deviate from presenting the work in such a way that it seems soft and pleasant. In photography, a blurring lense would be used for this purpose, giving the images a slightly misty appearance so that contours do not cut into the overall image. Personally, I like it better without this stylistic device. There is a plausible conception in the shaping of the tempi, which in slow movements, together with the soft approach, pulls the listener along only slightly.
In addition, the Akademie für Alte Musik Berlin delivers the usual committed and sensitive instrumental tone that so well suits this ensemble oriented toward historical practice. Every now and then the historical instruments come into their own, whereby the horns in particular are always a cause for attention.
The RIAS Kammerchor has always been able to maintain the quality it has acquired over the years, if not even to improve it, and also solves the demands of the variously sized instrumentations with verve.
The quintet of soloists largely form a vocal equal to the other participants, though mezzo-soprano Marie-Claude Chappuis deviates a bit in the Laudamus te, for instance, with an uncertain-sounding vocal line.
Apart from these small remarks, which another listener may well judge differently with regard to the fine rounded presentation instead of stronger contouring, here is a self-contained interpretation which, with the variable use of the singing voices, emphasizes a view which is well worth hearing.

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