Franz Schubert: Winterreise; Joyce DiDonato, Mezzosopran, Yannick Nézet-Séguin, Klavier; 1 CD Erato 0190295284145; Aufnahme 12.2019, Veröffentlichung 23.04.2021 (70') – Rezension von Remy Franck

Ich will vorausschicken, dass ich der festen Überzeugung bin, Schubert besinge in seinem Zyklus Winterreise vor allem das eigene Leid. Dem entsprechend halte ich eine weibliche Stimme für nicht passend, auch wenn gute Sängerinnen mit durchaus überzeugenden Interpretationen aufgewartet haben. Für mich ist daher auch die Neuaufnahme mit Joyce DiDonato bestenfalls ein Exkurs ins Ungewöhnliche, den ich mit anderen Erwartungen angehe als einen von einem Sänger interpretierten Zyklus.

Der Grundgedanke von Joyce DiDonato ist es, den Zyklus aus der Sicht der Frau und ihrer verlorenen Liebe zu singen. Sie tut das in einer sehr persönlichen, recht leidenschaftlichen Art, mit neuartigen Akzentuierungen, einem weitgespannten Dynamikbereich und einer dramatisierenden Gestaltung, die viel Enttäuschung, aber auch Unmut zum Ausdruck bringt. Das ‘Klagelied’ wird so sehr feminin, mitunter auch affektiert und rührselig. Ob man das mag, ist Geschmackssache.

Das Vibrato setzt Joyce DiDonato wohl gestalterisch ein, aber stören tut es mich trotzdem. Die Stimme ist weitgestreckt, von präsenter Tiefe bis zu scharfer Höhe. Die Textverständlichkeit ist gering.

Yannick Nézet-Séguin klare, konturierte, spannungsgeladene Begleitung ist ihrerseits auch sehr suggestiv.

Ich finde es nicht uninteressant anzuhören, was die beiden Künstler mit Schuberts Werk machen, aber ich werde kaum zu dieser Aufnahme zurückkehren, es sei denn zu Vergleichszwecken.

I must say that I am firmly convinced that Schubert’s Winterreise is about his own suffering. Accordingly, I do not consider a female voice appropriate, even if good singers have come up with thoroughly convincing interpretations. For me, therefore, the new recording with Joyce DiDonato is at best an excursion into the unusual, which I approach with different expectations than a cycle interpreted by a singer.
The basic idea of Joyce DiDonato is to sing the cycle from the point of view of the woman and her lost love. She does this in a very personal, quite passionate way, with novel accentuations, a wide dynamic range and a dramatic singing that expresses much disappointment, but also resentment. The ‘lament’ thus becomes very feminine, sometimes also affected and weepy. Whether one likes this is a matter of taste.
Joyce DiDonato uses the vibrato creatively, but it still bothers me. The voice is well led, from a forceful depth to sharp high notes. The intelligibility of the text is poor.
Yannick Nézet-Séguin clear, contoured, tense accompaniment is in its turn also very suggestive.
It might be interesting to listen to what these two artists do with Schubert’s work, but I’m unlikely to return to this recording except for comparison purposes.

  • Pizzicato

  • Archives