Felix Koch

Mit dem Telemann Project des Collegium Musicum der Johannes-Gutenberg-Universität und des Forum Alte Musik Frankfurt hat sich Barockcellist und Dirigent Felix Koch daran gemacht, die Kantaten von Georg Philipp Telemanns ‘Französischem Jahrgang’ als musikpraktische Notenedition zu komplettieren und die Musik im Konzert sowie in Weltersteinspielung auf CD und als Streaming-Angebot zu präsentieren. Jan-Geert Wolff berichtet.

Auch wenn kundige Musikwissenschaftler dem natürlich widersprechen mögen: Beim Begriff Kantate denkt man doch zu allererst an Johann Sebastian Bach, von dem rund 200 vorwiegend geistliche und einige weltliche Werke dieser Gattung erhalten sind. Die Bach-Forschung ist weit fortgeschritten, es liegen mittlerweile mehrere Gesamteinspielungen vor.

« Die Fülle, die gute Katalogisierung und eben auch die Verfügbarkeit führen gerade bei den Kantaten zu einer Bachschen Omnipräsenz“, weiß auch Felix Koch, Musikprofessor an der Hochschule für Musik Mainz, Barockcellist und Dirigent. Sein Interesse gilt jedoch vor allem einem Freund des Thomaskantors (und Patenonkel dessen Sohnes Carl Philipp Emanuel): Georg Philipp Telemann.

Der in Magdeburg geborene Musiker wirkte unter anderem in Frankfurt, wo auch der Großteil seines noch nicht edierten Œuvres in den Archiven schlummert – darunter auch die meisten seiner Kantaten, die ihrer Wiederentdeckung harren und deren Anzahl im Vergleich zu Bach mit rund 1750 Stücken sehr viel größer ist. Einige dieser Werke gibt es bereits auf CD sowie als Noten. Und Felix Koch arbeitet aktuell daran, dass es noch mehr werden: 72 Kantaten umfasst der in Frankfurt entstandene ‘Französische Jahrgang’ von 1714/1715.

Georg Philipp Telemann

Mit dem ‘Telemann Project’ des Collegium musicum der Johannes-Gutenberg-Universität und des Forum Alte Musik Frankfurt hat sich Koch daran gemacht, das Material als musikpraktische Notenedition zu komplettieren und die Musik im Konzert sowie in Weltersteinspielung auf CD und als Streaming-Angebot zu präsentieren. Partner sind dabei der australische Verlag Canberra Baroque, das Magdeburger Zentrum für Telemann-Forschung, das Label cpo sowie der SWR.

Zehn Kantaten sind bereits aufgezeichnet und sind im Dezember als Doppel-CD erschienen, die Proben- und Aufnahmephasen für weitere zehn stehen demnächst an. Koch dirigiert hierfür das Neumeyer Consort und die Gutenberg Soloists, einen zwölfstimmigen Chor aus Studierenden der HfM und weiteren professionellen Stimmen, in dem auch die Solisten singen. Elisabeth Scholl (Sopran) und Christoph Begemann (Bass) waren die ersten Artists in Residence, später werden mit Terry Wey und Valer Sabadus, Gotthold Schwarz, Georg Poplutz oder Klaus Mertens weitere große Interpreten Alter Musik zu hören sein.

Warum sind nun gerade diese Kantaten etwas Besonderes? Felix Koch erklärt: « Unter anderem nimmt der Chor einen unglaublich großen Teil der Kantate ein. Das gibt es bei Bach in dieser Regelmäßigkeit so nicht. Der Chor singt bei Telemann nicht nur den Eingangschor und den Schlusschoral, sondern ist auch mittendrin immer wieder gefordert – und das teilweise hochvirtuos, weil die Stimmen extrem instrumental konzipiert sind. Da gibt es rasante Koloraturen und andere kunstfertige Kuriositäten.“

Der Beiname ‘Französischer Jahrgang’ beziehe sich dabei auf die Besetzung nach dem französischen Prinzip: „Wir haben hier bei über der Hälfte dieser Kantaten eine Fünfstimmigkeit im Orchester, die mit zwei Bratschen konzipiert ist. Die Kapelle, für die Telemann die Musik schrieb, war ebenfalls französisch ausgerichtet. Er war ja ohnehin der Meister des ‚‚gemischten Stils und ließ sich dementsprechend auch inspirieren. In einigen der von uns musizierten Werke haben wir richtiggehend französische Ouvertüren, Tanzsätze und deutliche Elemente der französischen Oper die mit Arien oder Ariosi kombiniert sind. Telemann hat in einigen Sätzen auch akribisch französische Verzierungen eingetragen.“

Als etwas Spezifisches, das einem gerade in dieser Musik begegnet, benennt Koch „eine übergroße Experimentierfreude und eine große Kunst, diese Ideen virtuos in Musik zu fassen“. Habe beispielsweise Bach immer orchestral geschrieben, bediene Telemann einfach alles: „Wirklich jede Besetzung ausgehend von einer Singstimme plus Basso continuo, dann mit einem Instrument und einer Singstimme bis hin zu voller solistischer wie orchestraler Besetzung und Chor.“ Anders als Bach hätte Telemann kein Parodieverfahren angewandt, sondern lieber gleich neue Stücke geschrieben, was auch den enormen Umfang seines Kompositionsschaffens erkläre.

Felix Koch traut den Kantaten viel zu: « Dadurch, dass unser Projekt auf sieben Jahre angelegt ist, schaffen wir hoffentlich auch eine längerfristige Aufmerksamkeit für diese Musik. Und wenn sich auch die Radiosender dafür interessieren und diese wunderschöne Musik verbreiten, dann hat sie das Zeug dazu, Bachs Kantaten ebenbürtig zu ergänzen.“

https://www.telemann-project.de/

Felix Koch: « Telemann ist ganz anders drauf“

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