Egon Wellesz: Die Opferung des Gefangenen op. 40 (Kultisches Drama für Tanz, Sologesang und Chor); Wolfgang Koch (Feldherr), Robert Brooks (Schildträger des Prinzen), Ivan Urbas (Der Älteste des Rates), Hoe-Seung Hwang, Sopran, Patricia Dewey, Alt, Wiener Konzertchor, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Friedrich Cerha; 1 CD Capriccio C5423; Aufnahme 03/1995, Veröffentlichung 10/2020 (56'13) – Rezension von Uwe Krusch

Während das Frühlingsopfer von Igor Stravinsky Musikgeschichte schrieb und auch heute regelmäßig aufgeführt wird, erlebte die ‘Opferung des Gefangenen’ von Egon Wellesz nur eine kurze Blüte. Wie so oft führte der Nationalsozialismus dazu, dass dieser Komponist vergessen wurde. Die bisher einzige neuzeitliche konzertante Aufführung hat auch zu dieser Ersteinspielung geführt.

Dieser Einakter um den Prinzen, der die Schlacht verloren hat und vom gegnerischen König hingerichtet werden soll, ist eher mit einem sicher erfüllenden Mechanismus als mit einer Handlung gestaltet. Dem Prinzen werden noch vier letzte Tänze als Gnade gewährt. Den fünften Tanz, den Abschied vor seiner Heimat, absolviert er auch noch. Nach der Hinrichtung und Opferung wird er in Gesängen von allen geehrt.

Wellesz war darauf aus, seelische Sphären auszuloten. Dazu hat er ein kultisches Drama für Tanz, Sologesang und Chöre geschaffen. Zusammen mit dem Ballett Achilles auf Skyros und der Oper Alkestis ist bildet die Opferung des Gefangenen eine heroische Trilogie. Letzter ist das gemeinsame Werk von Eudard Stucken, zu dessen Text der Choreograph Kurt Joos und Egon Wellesz die bühnenreife Umsetzung schufen.

Sich früh von seinem Lehrer Schönberg lösend hat er seinen eigenen kompositorischen Weg gefunden, der hier aus seiner eigenen Sicht eines der besten Werke hervorgebracht hat. Freitonal mit atonalen und polytonalen Elementen ist es sehr farbig mit großem Schlagwerk eingerichtet. Wie das Schlagzeug schon nahelegt, haben motorische Phasen prominenten Platz in der Komposition. Die Halle des Palastes und die Ehrerweisung werden einer Leitmotivik ähnlich vertont.

Diese kraftvolle und die Pracht beschreibende Musik des in Wien geborenen Komponisten haben nun dort beheimatete Künstler eingespielt. Der Dirigent Friedrich Cerha entlockt dem Radio Symphonie Orchester des ORF Wien die für dieses Werk notwenige Kraftentfaltung. Sie bewahren aber immer die Kontenance, um nicht konturlos massig oder ohne strukturelle Durchhörbarkeit zu agieren. Mit dem Bariton Wolfgang Koch wurde ein Prinz respektive Feldherr gefunden, dem trotz der für ihn aussichtslosen Situation auch stimmlich nicht nachgibt und ausdrucksvoll elegant bis zum Ende bleibt. Ivan Urbas als Ältester des Rates, also König, führt seine Rolle mit prächtiger, nicht dunkel triefender Stimme auf den Weg selbstbewusster adeliger Sicherheit. Eine wichtige Rolle kommt dem Chor zu, der Krieger, Sieger und Besiegte ebenso zu meistern hat wie Klagegesänge. Für diese verschiedenen Aufgaben steht mit dem Wiener Konzertchor eine hochklassige Singgemeinschaft, die dem Werk zusätzliche Farben und Impulse verleiht.

Entstanden ist eine überzeugende Darbietung mit technisch überzeugender Ausgestaltung, die dieses außergewöhnliche Werk zum Hören empfiehlt.

While the Stravinsky’s Rite of Spring wrote music history and is still regularly performed today, Die Opferung des Gefangenen (The Sacrifice of the Prisoner) by Egon Wellesz experienced only a brief popularity. As so often, National Socialism led to this composer being forgotten. The only modern concert performance to date has also led to this first recording.
This one-act play about the prince who has lost the battle and is to be executed by the opposing king is designed with a certain fulfilling mechanism rather than an action. The prince is granted four last dances as a mercy. The fifth dance, the farewell to his homeland, is also completed. After the execution and sacrifice he is honoured in songs by everybody.
Wellesz wanted to explore spiritual spheres. For this purpose he created a cultic drama for dance, solo singing and choirs. Together with the ballet Achilles on Skyros and the opera Alkestis, The Sacrifice of the Prisoner forms a heroic trilogy.
Breaking away from his teacher Schönberg at an early age, Wellesz found his own compositional path, which in his own view has produced one of the best works here. Free-tonally with atonal and polytonal elements, it is very colourfully arranged with great percussion. As the percussion already suggests, motoric phases have a prominent place in the composition. The hall of the palace and the tribute are set to music similar to a leitmotif.
This powerful music which as well describes splendour, has now been recorded for the first time. The conductor Friedrich Cerha draws the necessary power from the ORF Vienna Radio Symphony Orchestra. However, they always keep their composure, so that they do not act without contours, massive or without structural transparency. In the baritone Wolfgang Koch, a prince or commander was found who, despite the hopeless situation for him, remains expressively elegant until the end. Ivan Urbas as the eldest of the council, i.e. king, sings his role with a magnificent, not darkly dripping voice on the path of self-confident aristocratic security. An important role is played by the choir, which has to represent warriors, victors and defeated as well as lamentations. For these various tasks, the Vienna Concert Choir is a high-class singing group, which gives the work additional colour and impetus.
The result is a convincing and rewarding performance.

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