Sergei Prokofiev: Romeo and Juliet (komplett); Oslo Philharmonic Orchestra, Vasily Petrenko; 2 CDs Lawo LWC1105; Aufnahme 11/2015, Veröffentlichung 9/2016 (64'07) – Rezension von Uwe Krusch

Wenn Details delikat glänzen statt oberflächlich bombastisch zu strahlen, kann man ein Paradestück völlig neu hören. Natürlich ist das Ballett ‘Romeo und Julia’ von Prokofiev eines der Werke, mit denen Orchester und Dirigenten Furore machen können. Passt dazu eine in der Lautstärke und Ausstrahlung zurückgenommene Darbietung? Ja, durchaus, denn so können viele Einzelheiten offen gelegt werden, die sonst leicht untergehen.

Es wäre übertrieben, den Ansatz kammermusikalisch zu nennen. Aber es fällt schon auf, dass die Musik sehr sorgfältig ausgeleuchtet und auch dementsprechend durchsichtig dargestellt wird. Wohl auch vorteilhaft sind die geringfügig langsameren Tempi gegenüber anderen Aufnahmen. Dadurch können auch die akrobatischen Partien noch mit der erforderlichen Transparenz gespielt werden, ohne deswegen den virtuosen Charakter zu vernachlässigen.

Grundlage dieser Darbietung ist natürlich die famose Musik von Prokofiev. Im groß besetzten Orchester finden noch besondere Instrumente wie Saxophone, Mandolinen und Kornett ihren Platz. Die Orchestration ist deswegen nicht dick, sondern abwechslungsreich und sowohl den Sujets als auch den jeweils verwendeten Instrumenten auf den Leib geschrieben. In dem Stück werden sowohl die Instrumentationskunst seines kurzzeitigen Lehrers Rimsky-Korsakov als auch der Balletttradition seit Tchaikovsky zur Meisterschaft gebracht.

Dabei hat Prokofiev das Werk 1935/36 unter schwierigen Umständen  komponiert. Er war nach Jahren in den USA und Paris in die Sowjetunion Stalins zurückgekehrt. Der Auftrag zum Ballett vom Mariinsky Theater kam nicht zustande, weil der Auftraggeber in Ungnade fiel. Der Komponist erzielte dann eine Vereinbarung mit dem Bolschoi Theater, aber auch hier kam die Aufführung, angeblich wegen der Schwierigkeiten des Stücks, nicht zustande. Erst 1938 gelangte das Werk in Brno in der heutigen Tschechischen Republik, zur Aufführung. Die heute bekannte Version ist eine vom System aufgezwungene, die 1940 am Mariinsky, damals schon Kirov Theater, aufgeführt wurde.

Für diese Aufnahme hat Vasily Petrenko, seit 2013 Chefdirigent der Philharmoniker in Oslo, mit seinem Orchester ihrer beider Können unter Beweis gestellt. Das 1919 gegründete Ensemble wurde früh von Gastdirigenten wie Ravel und Stravinsky gefordert und erlebte zu seinem 60. Geburtstag die Ankunft Mariss Jansons’, der es auf Weltniveau brachte. Auf diesen Fundamenten kann der umtriebige und gewissenhaft arbeitende Petrenko aufbauen und den Stil weiter verfeinern. Er hat vorher ähnliche Gestaltungshilfe beim ‘Royal Liverpool Philharmonic’ geleistet wie Jansons in Oslo. Der hundertste Geburtstag des Orchesters kann kommen.

The outstanding complete ballet music of Prokofiev’s Romeo and Juliet is presented with a great richness of details. Petrenko’s tempi are a little slower than average and allow a particularly fine shaping of the music.

 

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