Als ob das Wetter einen Kommentar abgeben wollte, schneite es zum Ende des Festivals Moderner Musik in der Philharmonie Luxembourg. Wie das zweite Wochenende begann und endete, darüber kann Uwe Krusch berichten.

Am Freitagabend griff das hauseigene Orchestre Philharmonique du Luxemburg mit einem vierteiligen Programm in den Geschehen ein, bei dem das letzte Werk im Rahmen der Tage neuer Musik. Feldmans Coptic Light, fast schon als alte Musik bezeichnet werden darf. Der beinahe 35 Jahre alte Monolith aus kleinsten strukturellen Veränderungen erforscht die Lichtgestaltung durch Musik, wie viele Werke dieser Rainy Days auch mit Licht und Bild zusammengetroffen sind. In der Interpretation des OPL unter der Leitung des Gastes Ivan Volkov gelang eine die Struktur des hellen weichen Klangs aufzeigende Interpretation, die noch schillernder hätte ausfallen können.

Auch nicht viel jünger war das vorgelagerte Mestizo von Coriún Aharonián. Aus seiner uruguayischen Heimat hat der Komponist zahlreiche Instrumente des Schlagwerks und Rhythmen mitgebracht, die er zur ostinaten Eröffnung einsetzt und auch sonst verwendet. Dabei fokussiert er nicht auf eine Entwicklung, sondern lässt Passagen wie Felsblöcke in den Anden aufeinanderprallen. Dadurch entsteht ein Eindruck von Patchwork und nicht der eines in sich geschlossenen Werkes.

Den Abend unter dem Motto Le Maximum du minimal wurde eröffnet mit The field is Woven von Naomi Pinnock. Auch dieses Werk gehorcht dem Festival-Motto des Weniger ist Mehr, da es mit feinen leisen Entwicklungen einer Distanzierung von der allgegenwärtigen Reizüberflutung entgegentritt. Damit gelang dem OPL eine sehr ansprechende Eröffnung, die einen bleibenden Eindruck hinterließ.

Chrstoph Sietzen an der Klangwand
(c) Sébastien Grébille

Der Hauptpunkt des Abends war aber die Uraufführung des Konzertes für Schlagwerk und Orchester von Georg-Friedrich Haas, das aus Schrott große Musik macht. Das gelang zusammen mit Christoph Sietzen, der die eigens konstruierte und gebaute Klangwand in dem Konzert und danach in einer improvisierenden Zugabe vorstellte. Aus beinahe 150 Rohrstücken und Blechen haben sie eine nach Tonhöhe und Tonqualität sortierte Konstruktion geschaffen, auf der Sietzen teilweise in Hockhaltung, teilweise emporgestreckt glockenartig helle Tonkaskaden erklingen ließ. Dazu kommen noch eine Reihe anderer Schlagwerk-Instrumente. Auch bei diesen agierte er mit einer für einen Schlagwerker überraschend großen Sensibilität und Feinheit trotz der auch erforderlichen Kraftentfaltung. Diese Klangsinnlichkeit ist natürlich auch in der Komposition selbst angelegt, so dass sich hier zwei Künstler gefunden haben. Auch die Besetzungsbezeichnung mit Schlagwerk soll andeuten, dass es sich eben nicht um Zeug, sondern ein vollwertiges Instrument handelt.

Das Orchester bot eine durch und durch ansprechende Leistung, bei der sich bewährt hat, dass sie sich in letzter Zeit vermehrt der neuen Musik widmen, nicht nur zu den Rainy Days.

Vor und nach jedem Konzert sowie in den Pausen wurde jeder Besucher, und die Angestellten auch noch zu anderen Zeiten, unfreiwillig mit der Klanginstallation Echotrop von Nika Schmitt zu dem Festival beglückt. Dieser glockenartig Töne machende Geräuschhintergrund im Foyer der Philharmonie bimmelte ununterbrochen. Da kann man die ansonsten nicht geltende Frage stellen: Ist das Kunst oder kann das weg?

Wenn man schon beim Verlassen des Grands Théâtre nach ggf. schöner Opernmusik mit schlimmstem Popgedudel aus dem vorgelagerten Restaurant belästigt wird, dann würde man sich freuen, in der Philharmonie nicht auch noch mit Lappalien belästigt zu werden, jedenfalls nicht noch nach einem Konzert, wenn man noch der eigentlichen Musik nachhängt.

Vor dem Abschlussball gab sich dann am Sonntag das Klangforum Wien  die Ehre. Bei ihrem Konzert im Großen Saal vor kleinem Publikum gestalteten sie einen seit zwei Jahren vorbereiteten Filmabend, bei dem zehn Filmemacherinnen in etwa gleichlangen Kurzfilmen ihre Arbeit vorstellen, zu der zehn Komponistinnen von Anfang an für die Komposition der zugehörigen eingebunden waren. Sie alle haben als Ansatzpunkt die `Gemeinwohlökonomie´ von Christian Felber gehabt. Darin versucht dieser, eine vom übermäßigen Gewinnstreben abgewandte Wirtschaftsweise zu propagieren, die sozial- und umweltverträglich wäre. Mit ihren zehn Blickwinkeln nahmen die Filmemacherinnen und Komponistinnen diese Ideen auf und machten daraus quasi politische Musik. Das geschah zumeist mit augenzwinkernd charmanten Animationsfilmen und den ebenso vielseitigen Ausdrucksweisen der Musik. So erreichten sie eine ebenso freundliche wie auch spitz zupackende Kommentierung dieser Thesen, die auch kräftig agierten, oft aber leicht schwebten.

Dem Klangforum Wien war die innere Verbundenheit mit diesem Projekt anzumerken. Sie gaben jedem der Stücke die notwendige Farbe und Intensität. Als Zuhörer war man im Grunde fast überfordert, die neue Musik und die Filme dazu gleichzeitig zu erfassen. Aber dann gelang es doch und die erlesene Schar der Zuhörer konnte einen wunderbaren Abschluss der Rainy Days genießen.

Wie heißt es in der Serie des Animationsfilms Der rosarote Panther? « Wer hat an der Uhr gedreht? ist es wirklich schon so spät? stimmt es? (stimmt es) dass es sein muss? ist für heute wirklich Schluss?“ Ja, die Rainy Days 2019 sind Geschichte, aber die neuen werden nur ein Jahr auf sich warten lassen.

  • Pizzicato

  • Archives