Heinrich Sutermeister: Consolatio philosophiae, Dramatische Szene für hohe Stimme und Orchester + Romeo und Julia + Sechs Liebesbriefe für Sopran und Orchester + Sieben Liebesbriefe für Tenor und Orchester; Juliane Banse, Sopran, Benjamin Bruns, Tenor, Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Rainer Held; 1 CD Toccata TOCC0608; Aufnahme 02.2022, Veröffentlichung 01.2023 (72'14) – Rezension von Uwe Krusch

Beim Label Toccata erscheint die zweite CD mit Orchesterwerken von Heinrich Sutermeister, die sich dem Orchesterlied widmet. Für den, wenn überhaupt, vor allem als Komponist von Opern und Bühnenwerken bekannten Schweizer Tonsetzer bot das Zusammenspiel von Stimme und Orchester eine reizvolle Sparte seines Schaffens in einer Zeit, in der auch andere zu dieser Facette ihre Beiträge leisteten.

In der vorliegenden Auswahl sind einige Aspekte besonders beachtenswert. So findet sich das jeweils letzte Lied sowohl in den Sieben wie auch den Sechs Liebesbriefen, nämlich das Abschiedsschreiben von Friedrich II. an Frau von Wreech. Einmal als Der Kavalier, dann als Cherubino a cavallo (Cherub zu Pferde) betitelt, bietet es auf der einen Seite die Sicht des Schreibenden, auf der anderen die der Empfängerin, was zu ganz unterschiedlichen Ausgestaltungen führt.

Im Werk Consolatio philosophiae gestaltet er die Verse des altrömischen Boethius, ohne ein Handlungsstück zu erschaffen. Der philosophische Dialog in lateinischer Sprache zu grundsätzlichen Themen mit Relevanz für jeden, etwa zu Glück, Wahrheit und Tod, umfasst drei kontemplativ gehaltene Abschnitte, die den Prozess der Erkenntnis von der Wahrheit zum Trost der Philosophie und dem Gebet nachvollziehen.

Für diese Ersteinspielungen hat sich die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit dem dirigierenden Rainer Held zusammengetan. Das Orchester entlockt dabei den Partituren dezidiert und feinfühlig die Merkmale des persönlichen Stils von Sutermeister. Immer wiederkehrende Elemente sind etwa eine rhythmische Akzentuierungen, ausdrucksstark lyrisch kantable Passagen sowie der Einsatz umfangreichen Schlagwerks und hervorstechend auch die Funktion des Cembalos als einem zentralen Instrument, auch in den späten Liedern. Dank der gewieften Kompositionsweise und des aufmerksam geleiteten Orchesterspiels bleibt immer genügend Freiraum für die Singstimme neben dem instrumentalen Part.

Die Texte aus unterschiedlichsten deutschsprachigen Regionen und Kontexten sowie die lateinischen Worte in der Consolatio philosophiae werden hier von der Sopranistin Juliane Banse und die Sieben Liebeslieder durch der Tenor Benjamin Bruns gestaltet. Beide zeichnen sich durch gute Textverständlichkeit und eine weite Palette an stimmlicher Gestaltung aus. Dank der kompositorisch und orchestral hilfreichen Mäßigung können beide sich unbedrängt betätigen und müssen nicht forcieren. Banse zeigt einmal mehr ihre beeindruckende lyrische Seite, bietet aber auch etwa in der Hochzeit der Sechs Liebeslieder nicht notwendigerweise zupackend scharfe Spitzen. Bruns kann tenoral präsent und akzentuiert punkten, ohne die heldenhafte Seite auspacken zu müssen.

Editorisch gibt das umfangreiche Beiheft neben detaillierten Erläuterungen die Texte in Deutsch und Englisch sowie bei Consolatio philosophiae auch das lateinische Original mit. Nicht ganz auf der Höhe der Technik erscheint die in einer mehrtägigen Sitzung gemachte Aufnahme. Für das Abspielen muss man die Lautstärke sehr hochdrehen. Zwar ist das Klangbild nicht schlecht, hätte aber kontrastreicher und nicht so eingeengt dargestellt werden müssen. So kann dieses ansonsten tolle Album leider keine Höchstnote erwarten.

The Toccata label releases the second CD of orchestral works by Heinrich Sutermeister, dedicated to the orchestral song. For the Swiss composer, known if at all primarily as a composer of operas and stage works, the interplay of voice and orchestra offered an appealing branch of his output at a time when others were also making their contributions to this facet.

In the present selection, some aspects are particularly noteworthy. For example, the last song in each case is found in both the Seven and the Six Love Letters, namely the farewell letter from Frederick II to Frau von Wreech. Once titled Der Kavalier (The Cavalier), then Cherubino a cavallo (Cherub on Horseback), it offers on the one hand the view of the writer, on the other that of the recipient, which leads to quite different interpretations.

In the work Consolatio philosophiae he shapes the verses of the ancient Roman Boethius, without creating a plot sense, as for a drama. The philosophical dialogue in Latin on fundamental topics of relevance to everyone, such as happiness, truth and death, includes three contemplative sections that trace the process of knowledge from truth to the consolation of philosophy and prayer.

For these premiere recordings, the Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz has joined forces with conductor Rainer Held. The orchestra elicits the characteristics of Sutermeister’s personal style from the scores in a resolute and sensitive manner. Recurring elements are, for example, rhythmic accentuation, expressively lyrical cantabile passages as well as the use of extensive percussion and, most strikingly, the function of the harpsichord as a central instrument, even in the late songs. Thanks to the shrewd compositional style and the attentively directed orchestral playing, there is always enough free space for the singing voice alongside the instrumental part.

The texts from various German-speaking regions and contexts, as well as the Latin words in the Consolatio philosophiae, are performed here by soprano Juliane Banse, and the Seven Love Songs by tenor Benjamin Bruns. Both are characterized by the best comprehension of the text and a wide range of vocal shaping. Thanks to the compositionally and orchestrally helpful moderation, both can act unrestrained and do not have to force. Banse once again shows her impressive lyrical side, but even in the wedding of the Sechs Liebeslieder, for example, she does not necessarily offer grippingly sharp points. Bruns can score vocally without letting the music become heroic.

The extensive booklet provides detailed explanations as well as the texts in German and English and, in the case of Consolatio philosophiae, the original Latin. The recording, which was made in a session lasting several days, is not optimal. For playback, the volume has to be turned up very high. Although the sound image is not really bad, it should have been presented with more contrast and not so constricted. So this otherwise great album can unfortunately not expect a top grade.

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