Franz Schubert: Winterreise D 911; Andrè Schuen, Bariton, Daniel Heide, Klavier; # Deutsche Grammopjon 4861288; Aufnahme 12.2019, Veröffentlichung 17.05.2024 (77'49) - Rezension von Remy Franck

Vom ersten Lied dieser Winterreise an hat der Hörer den Eindruck, dass der Südtiroler Bariton Andrè Schuen und das Klavier von Daniel Heide genau vor ihm stehen, ohne jede akustische Barriere. Das ist der eine Plus dieser herausragenden Einspielung: die sagenhafte Tonqualität, deren Natürlichkeit, Balance und Klarheit wohl nicht zu übertreffen sind.

Dies kann der Qualität der musikalischen Interpretation nur förderlich sein. Und es braucht nur wenige Minuten, um zu zeigen, dass Andrè Schuen mit einer phänomenalen Unmittelbarkeit des Gesangs Schuberts Wanderer par excellence ist.

Sein kerniger, angenehm timbrierter und ungemein präsent-klarer Bariton und eine Diktion, die den Text vollkommen verständlich werden lässt, sind die technischen Voraussetzungen für eine gestalterische Fantasie, die ihresgleichen sucht. Schuen kann das  Ausdruckspotential der Schubert-Lieder maximal schärfen und mit Farbsteuerung, Dynamik, einer reich fundierten Agogik sowie spontan wirkenden Akzentuierungen Kontraste schärfen, die unter die Haut gehen. Die selten große Spannbreite des Ausdrucks erlaubt es ihm, die Gedichte von Schmerz und Verzicht, von Zynismus und Resignation, von Aufbäumen und Aufgabe jeder Hoffnung total eindringlich werden zu lassen, so dass man das besungene Menschenschicksal nacherleben kann.

Durch die Unmittelbarkeit und das Drama seines Gesangs kann Schuen den Hörer den ganzen Zyklus über fesseln, ja ihn mitfühlen und mitleiden zu lassen. Selten habe ich dem unglücklichen Wanderer so viel Mitgefühl entgegengebracht als in dieser atemberaubenden Darbietung.

Es ist einfach großartig, wie Schuen die einzelnen Lieder zu lebendigen, direkt ansprechenden Szenen erstehen lässt! In seinem Gesang paaren sich Intelligenz und Musikalität wie bei kaum einem anderen Sänger. Wenn er sich dann noch mit einem Pianisten zusammentut wie Daniel Heide, dessen Spiel die gestalterischen Absichten des Sängers kongenial unterstützt, muss zwangsläufig eine Interpretation herauskommen, die unbedingt zu den besten zu zählen ist, die es von diesem Zyklus gibt.

From the very first song of this Winterreise, the listener has the impression that the South Tyrolean baritone Andrè Schuen and Daniel Heide’s piano are standing right in front of him, without any acoustic barrier. This is the one plus point of this outstanding recording: the fabulous sound quality, whose naturalness, balance and clarity are probably unsurpassed.

This can only enhance the quality of the musical interpretation. And it only takes a few minutes to show that Andrè Schuen is Schubert’s Wanderer par excellence, with a phenomenal immediacy of voice.

His pithy, pleasantly timbred and extraordinarily present and clear baritone and a diction that makes the text completely comprehensible are the technical prerequisites for a creative imagination that is second to none. Schuen is able to sharpen the expressive potential of Schubert’s songs to the maximum and to create contrasts that get under the skin with color control, dynamics, rich agogics and spontaneous accents. With a rare breadth of expression, he brings to life the poems of pain and renunciation, of cynicism and resignation, of rebellion and abandonment of all hope, so that the fate of the Wanderer can be fully experienced.

Through the immediacy and drama of his singing, Schuen is able to captivate the listener throughout the entire cycle, even allowing him to empathize and suffer. Rarely have I felt so much sympathy for the hapless wanderer as I did during this breathtaking performance.

It is simply magnificent how Schuen turns the individual songs into vivid, immediately appealing scenes! His singing combines intelligence and musicality like few other singers. When he is joined by a pianist like Daniel Heide, whose playing congenially supports the singer’s creative intentions, the result must inevitably be one of the best interpretations of this cycle.

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