Cellist Daniel Müller-Schott, 'Artist in Residence' beim Festival Echternach 2016, eröffnet das Festival am 19. Mai im Trio, mit der lettischen Violinistin Baiba Skride, die, wie Müller-Schott, nur in Superlativen gefeiert wird, und deren Schwester Lauma am Klavier. Am 21. Mai verbindet er in seinem Programm 'Bach und die Moderne' höchst kreativ die Jahrhunderte. Hier sind vier Fragen von Alain Steffen an den Cellisten.

Daniel Müller-Schott

Welche Bedeutung hat die Klangfarbe in der Interpretation?
Klangfarbe ist einerseits etwas sehr Persönliches und hat viel mit dem Spielstil des Interpreten und natürlich auch mit dem Instrument zu tun. Andererseits hatte wohl jeder Komponist Vorstellungen, wie die Klangfarbe für dies oder jenes Werk sein sollte. Bei zeitgenössischer Musik versuche ich immer, härtere Klangfarben anzustreben. Ich benutze dann auch nicht mein altes Cello, sondern ein modernes Instrument, das den Klangvorstellungen zeitgenössischer Komponisten viel näher kommt.
Im Bereich der Barockmusik ist es wieder anders. Roger Norrington meinte im Bezug auf die historische Aufführungspraxis, dass es wie ein Tennismatch sei, dass man innerhalb dieses Felds unheimlich impulsiv agieren kann. Verlässt der Ball aber das Feld, hat man den Punkt verloren. Ich glaube, dies kann man auch auf andere Bereiche der Musik ausdehnen. Man muss immer wissen, auf welchem Feld man spielt.

Welche wesentlichen Faktoren beeinflussen Ihr Spiel, Ihre Interpretation?
Unendlich viele! Wichtig ist es zuerst einmal, eine richtige Basis zu haben. Der Interpret muss das Werk, das er spielt, kennen und er muss den Willen haben, es auch zu verstehen. Er darf sich nicht zufrieden geben, sondern immer weiter fragen und suchen. Eine Interpretation ergibt eine andere. Ich muss mich als Musiker weiterentwickeln und mir sagen, dass meine Interpretation nur eine Momentaufnahme ist, ein Innehalten auf einem Weg, der nie ans Ziel führt. Ein Konzert hat ja nur in dem Moment eine Wichtigkeit, wo es gespielt wird. Am anderen Morgen hat es seine Bedeutung bereits verloren. Es existiert nicht mehr. Dann muss man weitermachen und aus den Erfahrungen, die man gemacht hat, lernen. In der Musik gibt es kein Ankommen! Musik machen ist eigentlich nichts anderes, als die Erfahrungswelt, die man vorher hatte, neu zu deuten. Und gerade das macht den Prozess des Musizierens so einmalig. Aber diese Veränderung, die in mir stattfindet, kann ich nicht konkret beschreiben.
Ich glaube, das Bewusstwerden des musikalischen Prozesses ist für mich der wesentlichste Faktor. Sehr eng damit verbunden sind für mich meine Partner, mit denen ich musiziere und alle außermusikalischen Erfahrungen, die mich letztendlich als Mensch definieren. Aber in der Musik geht es nicht um mich, sondern um den Komponisten und sein Werk. Meine Befindlichkeit und Entwicklung spielen sicher eine Rolle, sind aber nur sekundäre Faktoren.
Es ist ja auch nicht so, dass sich uns alle Werke zur selben Zeit erschließen. Irgendwann passiert das Geheimnisvolle, das man nicht erklären kann. Und plötzlich fühlt man sich von einem Werk angesprochen, wird berührt.

Das heißt aber auch, dass das Publikum in diesen künstlerischen Prozess miteinbezogen ist und den Weg mitgehen muss.
Genau! Das ist der Anspruch, den klassische Musik stellt. In der Popmusik ist es ganz selbstverständlich, dass das Publikum mitmacht. Die klassische Musik fördert dagegen das Passivsein. Und dann ist man schnell im routinierten Hören. Klassische Musik verlangt allerhöchste Konzentration und ein sich Einlassen auf Werk und Interpretation. Nur so kann der Zuhörer auch innerlich etwas erleben. Und durch viele Konzerte und Aufnahmen kann auch der Zuhörer seinen Horizont erweitern, die Musik anders, aktiver begreifen und neue Aspekte eines ihm bekannten Werkes erkennen.

Sie selbst gehen in die Schulen, um den Kindern Musik nahe zu bringen.
Musik hat in den Schulen leider einen geringen Stellenwert. Deshalb ist es wichtig, dass wir Musiker dort hingehen, die Lehrer konstruktiv unterstützen und die Kinder an unserer Begeisterung für die Musik teilhaben lassen. Bei vielen braucht es nur ein Initialerlebnis, um ein lebenslanges Interesse wachzurufen. Viele Kinder wachsen nur mit Fernseher, Computer und Radioberieselung auf, sie lernen den wunderbaren Kosmos der Kunst gar nicht erst kennen und haben nicht einmal die Möglichkeit, klassische Musik zu hören, ein Instrument erklärt zu bekommen oder ins Konzert zu gehen. Das ist sehr schade und es ist für mich ein persönliches Anliegen, dem entgegen zu wirken.

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