Yehudi Menuhin nannte ihn seinen musikalischen Enkel, heute ist der Daniel Hope einer der bekanntesten Geiger. In Warschau erhielt er von den ICMA (International Classical Music Awards) den Preis für die beste Videodokumentation für den Film 'Terezin', über die Musiker im Gefangenenlager Theresienstadt. Remy Franck hat mit ihm ein Gespräch geführt.

Daniel Hope
(c) Harald Hoffmann

‘Music gives me hope’, sagte der Dirigent Daniel Barenboim. Sie sind Mr. Hope. Was gibt die Musik Ihnen denn?
Musik gibt auch mir Hoffnung, aber ebenso Freude, Genugtuung und vor allem Inspiration.

Sie sind ein sehr vielseitiger Künstler, als Geiger, Autor, Moderator, Dokumentlist, ja Sie waren sogar schon Mitglied in einer Wettbewerbs-Jury. Glauben Sie an die Wichtigkeit solcher Wettbewerbe?
Ein Wettbewerb kann durchaus die Chance beinhalten, eine bedeutende Karriere zu machen, aber es gibt dafür keinesfalls eine Garantie. Es ist ein Springbrett, aber wir wissen, dass von den zahllosen Wettbewerbssiegern nur wenige eine wirklich großartige Karriere machen. Ich glaube, was man aus einem Sieg bei einem Wettbewerb macht, hängt vor allem von der eigenen Persönlichkeit ab.

Aber die Wettbewerbe katapultieren ja immer noch mehr Solisten auf einen bereits überfüllten Musikmarkt…
Wettbewerbe senden vor allem das Signal aus, dass es unter den jungen Musikern großartige Talente gibt. Man kann die Musikwelt nicht anhalten, nur weil schon viele gute Solisten vorhanden sind. Aber, wie gesagt, es setzen sich nur die wirklich guten durch…

…vor allem die, welche sich um ihre Karriere wirklich kümmern und sich gut verkaufen, ein gutes Marketing machen.
Ich mache mir viele Gedanken über meine Karriere. Ich produziere auch selber Konzerte und bin sehr gut im Bilde über Kosten, Budgets, Marketing usw. Heutzutage sollte jeder Künstler solche Kenntnisse haben!

Die Gagen für erstrangige Solisten und Dirigenten sind ja sehr hoch und belasten die Orchesterhaushalte enorm. Einige Künstler haben angesichts der zum Teil dramatischen Situation der Orchester, vor allem in den USA, ihre Gagen reduziert und einige sind sogar ohne Gage aufgetreten, um Orchestern zu helfen. Ist dieses Thema für Sie wichtig?
Absolut! Ich impliziere mich sehr in Wohltätigkeitskonzerte und auch bei Fundraising Events. Wir Solisten müssen in der gegenwärtigen Situation sehr gut aufpassen, was wir tun. Wenn wir unsere Gagen endlos in die Höhe treiben, könnte es sein, dass dadurch ganze Konzertreihen verschwinden. Dies zu ignorieren, wäre sehr egoistisch und würde das zerstören, wozu wir da sind.

Als das ‘Beaux Arts Trio’ nach Menahem Presslers Weggang aufhörte zu spielen, haben Sie und der Cellist Antonio Meneses nicht weiter gemacht. Haben Sie nie daran gedacht mit einem neuen Pianisten einen neuen Anlauf zu nehmen?
Menahem Pressler kann man nicht ersetzen, er war die Seele des Trios, er war der Kapitän dieses Schiffs. Nach 400 gemeinsamen Konzerten in sechseinhalb Jahren konnte ich es mir nicht vorstellen, ohne ihn Trios zu spielen.

Wird man Sie eines Tages in einem anderen Ensemble sehen?
Ich spiele viel Kammermusik und werde das auch weiterhin tun, aber nicht in einem festen Ensemble. Mitglied in einem Trio oder Quartett zu sein, bedeutet sehr viel Arbeit und verlangt eine enorme Disziplin. Mir geht es eher um Abwechslung, um gute Projekte, auch in Zusammenarbeit mit Schauspielern, wo ich originelle und interessante Programme realisieren kann.

Was bedeutet Ihnen die Kammermusik?
Kammermusik ist die Essenz, die Destillation der Musik in einer Form, wo zwei, drei, vier oder fünf Musiker intensiv kommunizieren. Es ist die intimste Form des Musikmachens, ganz besonders, wenn auch das Publikum nicht zu zahlreich ist.

Haben Sie Präferenzen in Ihrem Repertoire?
Mein Repertoire ist sehr weitgestreckt, und ich bin jetzt so weit, dass ich heute eigentlich überall das spielen kann, was ich auch wirklich spielen mag. Und das geht dann vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik. Ich spiele viele zeitgenössische Kompositionen im Konzertsaal. Sehr viel gebracht hat mir die Barockmusik. Ich habe diese Welt jetzt mehr und mehr entdeckt und Bekanntschaft gemacht mit den Werken von ganz wenig bekannten Komponisten, die mich persönlich aber ungemein bereichert haben.

Und diese Musik spielen Sie dann auch mit Darmsaiten und Barockbogen?
Ich habe das mehrmals gemacht und es ist einfach toll. Jeder Geiger sollte das versuchen, und sei es nur, um das Feeling für diesen kernigen Klang der Darmsaiten zu bekommen. Persönlich bevorzuge ich eine Mischung. Ich spiele sehr gerne Barockmusik mit Barockbogen, aber nicht mit einer Barockgeige, sondern ich benutze für die zwei tiefen Saiten Darm und für den Rest Metall. Mir geht es darum, mich so gut wie möglich über das Barockspiel zu informieren, stilistisch diesem so nahe wie möglich zu kommen und gleichzeitig die Qualitäten der modernen Geige dafür zu nutzen.

ICMA-Pr¨sident Remy Franck gratuliert Daniel Hope zum Preis für die Video-Dokumentatzion Terezin. Rechts,Katja Schaefer, Generalsekretärin der Bayerischen Akademie der Schönen Künste

ICMA-Präsident Remy Franck gratuliert Daniel Hope zum Preis für die Video-Dokumentation Terezin. Rechts,Katja Schaefer, Generalsekretärin der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (c) Bjoern Woll / ICMA

Ihr Werdegang wurde stark von großen alten Männern geprägt, Yehudi Menuhin und Menahem Pressler. War die Gefahr nicht groß, von diesen Autoritäten erdrückt zu werden?
Ich habe diese Kontakte und Beeinflussungen nicht gewünscht, aber ich bin glücklich, sie gehabt zu haben. Ich kam dadurch gewissermaßen an die Quelle der Musik. Diese alten Löwen waren für mich eine direkte Brücke zur Vergangenheit. Und die Vergangenheit ist mir sehr wichtig. Wäre ich nicht Musiker geworden, hätte ich Historiker sein wollen. Menahem Pressler konnte mir aus erster Hand über seine Kontakte mit Darius Milhaud erzählen oder mit Toscanini, Menuhin über seine Erfahrungen mit Bartok und Elgar. Vom ersten Geiger des ‘Beaux Arts’ hatten wir noch die von Ravel bevorzugten Fingersätze für sein Trio… Das ist etwas wie der Heilige Gral, der es mir möglich machte, der Vergangenheit näher zu kommen. Es war ein großes Privileg.

Was ist denn Ihrer Meinung nach im Musikleben heute anders als früher? Welche Vorteile haben heutige Musiker gegenüber den ‘alten Löwen’?
Der Vorteil, den die Musiker heute haben, ist, dass sie schneller weltweit bekannt werden und auch mehr Engagements in vielen verschieden Ländern bekommen können. Früher gab es weniger Musiker, die in aller Welt bekannt waren, aber ihre Karriere dauerte meist sehr, sehr lange, fünfzig, sechzig Jahre. Heute ist es sehr schwierig, ein solches Niveau, wie es diese Musiker hatten, sehr lange zu halten. Und das kommt daher, dass den jungen Musikern die Beziehung zur und das Interesse an der Vergangenheit fehlen. Alles geht so schnell, dass sie diesen Drang, sich mit der Vergangenheit wirklich auseinander zu setzen, nicht mehr spüren. Das Resultat ist, dass sie gleichzeitig den Sinn fürs genuine Phrasieren verlieren, die Sprache zwar technisch beherrschen, aber sie halt doch nicht so sprechen können, wie die großen Musiker der Vergangenheit, die man an ihrem Spiel erkennen konnte, die Individualität und Persönlichkeit besaßen, die ihre Sprache wirklich souverän beherrschten und auch auf Risiko spielten. Das alles ist heute bei vielen Musikern nicht vorhanden.

Viele Geiger verspüren hingegen den Drang zu dirigieren. Werden Sie auch mal ein Dirigent sein?
Ich werde sicher nie ein richtiger Dirigent sein, aber ich liebe es, vom Instrument aus ein Kammerorchester zu führen und damit einen kammermusikalischen Aspekt in die Musik zu bringen. Ich habe das bereits oft sehr erfolgreich und zu meiner vollsten Zufriedenheit mit dem ‘Chamber Orchestra of Europe’ und einigen anderen Formationen gemacht.

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