Marc-André Dalbavie: La Source d’un Regard + Concerto pour hautbois + Concerto pour flûte – Concerto pour violoncelle; Mary Lynch, Oboe, Demarre McGill, Flöte, Jay Campbell, Cello, Seattle Symphony, Ludovic Morlot; 1 CD Seattle Symphony Media SSM1022; Aufnahmen 2017-2019, Veröffentlichung 26/07/2019 (72'48) – Rezension von Remy Franck

Der französische Komponist Marc-André Dalbavie (*1961) hat so manches hinter sich gelassen, was zeitgenössische Musik in Frankreich ausmacht und schreibt heute eine alles andere als hermetische Musik, wie diese spannende CD des Seattle Symphony eindrücklich zeigt.

Das Programm beginnt mit dem Orchesterstück La Source d’un Regard (2007), einem Auftragswerk des Concertgebouw Orkest aus Amsterdam und des Philadelphia Orchestra. Die Hommage an Messiaen ist ein stimmungsvolles, extrem farbiges Werk, das zwischen meditativen sowie bewegungsreicheren Passagen wechselt.

Viel energetischer, ja geradezu aufgeregt und flatterhaft ist das Obenkonzert, das 2010 als Auftragswerk des Borletti-Buitoni Trust unter Jiri Belohlavek uraufgeführt wurde. Mary Lynch und Morlot bringen diese Nervosität spannungsvoll zum Ausdruck, wobei die Solistin die technischen Herausforderungen mit phänomenaler Virtuosität meistert.

Das  Flötenkonzert ist ein Auftragswerk der Berliner Philharmoniker und des Tonhalleorchesters Zürich. Es wurde 2006 mit Emmanuel Pahud und den Berliner Philharmonikern unter David Zinman uraufgeführt. Auffällig sind in diesem Werk der Dialog zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester sowie die sich daraus entwickelnden Zusammenhänge. Das Werk ist nicht so virtuos wie das Oboenkonzert, aber wenn man sich damit abgibt, ist es sehr spannend, weil man den Eindruck gewinnt, dass sich die Instrumente verfolgen. Das Orchester verfolgt die Flöte, aber innerhalb des Orchesters gibt es auch Verfolgungen. Das zeigt die Wichtigkeit des Orchesters, das weitaus mehr ist als nur ein Begleiter der Solisten.

Es kommt aber auch mehrmals zu Ruhephasen, in der sich die Flöte ruhig aussingen kann. Demarre McGill ist brillant im Virtuosen, kantabel in den ruhigen Passagen und meistert den Dialog mit dem Orchester spannungsvoll.

Das effektvolle Cellokonzert beschließt das Programm. Es ist ebenfalls ein spannendes Werk, in dem sich das Cello immer wieder aus den Umgarnungen des Orchesters befreien muss. Manchmal verschwindet es ganz im Orchesterklang, um dann wieder wie Phoenix aufzutauchen und davonzufliegen, denn der Cellopart hat tatsächlich etwas Volatiles in diesem  Konzert. Jay Campbell ist in diesem dynamischen Spiel ein herausragender Solist, der dem höchst originellen und charakteristischen Werk nichts schuldig bleibt.

Ludovic Morlot und das Seattle Symphony sind in allen vier Werken wunderbare Sachverwalter der Musik von Dalbavie. Die oft huschenden Klangfiguren, die kräftigen Farbballungen, die orchestrale Virtuosität in der andauernden Geschäftigkeit des Orchesterklangs werden brillant gemeistert und immer in Relation gestellt. So gelingt es Morlot, die Musik zu einem Ganzen zu formen, Stimmungen und Spannungen zu erzeugen und damit der Gefahr einer oberflächlichen, aussagelosen Musik zu entgehen.

French composer Marc-André Dalbavie (*1961) has left the more intellectual contemporary music currents in France and his music is anything but hermetic, as this exciting CD of the Seattle Symphony impressively shows. The programme begins with the orchestral piece La Source d’un Regard (2007), commissioned by the Concertgebouw Orchestra of Amsterdam and the Philadelphia Orchestra. Conceived as a tribute to Messiaen, it is an atmospheric, extremely colourful work that alternates between meditative and moving passages. The Oboe Concerto, commissioned by the Borletti-Buitoni Trust and premiered in 2010 under Jiri Belohlavek, is much more energetic, almost excited and fluttering. Mary Lynch and Morlot express this nervousness in an exciting manner, while the soloist masters the technical challenges with phenomenal virtuosity. The Flute Concerto was commissioned by the Berlin Philharmonic and the Tonhalle Orchestra Zurich. It was premiered in 2006 with Emmanuel Pahud and the Berlin Philharmonic under David Zinman. The dialogue between the solo instrument and the orchestra is striking. The work is not as virtuoso as the Oboe Concerto, but when you get really into it, it is very exciting. It’s like a musical pursuit. This shows the importance of the orchestra, which is much more than just an accompanist to the soloist. But there are also several periods of rest during which the flute can quietly sing. Demarre McGill is brilliant and masters the dialogue with the orchestra in the most exciting way. The Cello Concerto concludes the program. It’s an equally exciting work in which the cello has to free itself again and again from the ensnarement of the orchestra. Sometimes it disappears completely in the orchestral sound, only to reappear like Phoenix and fly away, because the cello part actually has something volatile in this highly original and characteristic work. Jay Campbell is an outstanding soloist in this dynamic music. In all four works Ludovic Morlot and the Seattle Symphony are wonderful performers of Dalbavie’s music. Morlot succeeds in forming the music into a whole, creating moods and tensions and thus avoiding the danger of a superficial, meaningless, just extrovert and brilliant music.

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