Myung-Whun Chung

Trotz regelmäßiger Kritiken an der Akustik erfreut sich die Elbphilharmonie ungebrochen größter Beliebtheit beim Publikum. Und diese Akustik ist wirklich hervorragend, vor allem für Konzerte mit großen Symphonieorchestern. Unser Mitarbeiter Alain Steffen besuchte ein Konzert mit dem Concertgebouw Orchester unter Myung-Whun Chung.

Auf dem Programm stand die 9. Symphonie von Gustav Mahler, also ohne Zweifel ein Heimspiel für das Concertgebouw, das auf eine sehr lange Mahler-Tradition zurückblickt, die noch auf Aufführungen durch den Komponisten selbst zurückgeht. Aber Myung-Whun Chung als Mahler-Dirigent? Da stellt man sich doch heute eher Chailly, Haitink, Harding oder Tilson Thomas vor. So mochten viele im Saal gedacht haben, allerdings was dann folgte, war phänomenal.

Bereits der brüchige Anfang des Kopfsatzes zeigte durch seine Innenspannung, dass Chung seinen Mahler sehr gut kannte. Immer wieder baute er die Musik mit immensen Spannungsbögen auf und hielt durch sein präzises und konzentriertes Dirigat auch die Musiker permanent unter Spannung. Dadurch erreichte dann dieser Satz eine Intensität und interpretatorische Klarheit, wie sie nur die besten Mahler-Dirigenten zu vermitteln wissen. Chung dirigierte dabei sehr deutlich und mit einem Minimum an Gestik. Er vertraute dem Orchester. Heraus kam eine sehr ehrliche und immer authentisch wirkende Interpretation. Den beiden schnellen Mittelsätzen wusste Chung noch nie gehörte Wendungen abzugewinnen. Er legte hier musikalische Schichten übereinander, ließ sie sich an sich selber reiben und erreichte eine Dynamik und ungebremste Spiellust, wie ich sie nur selten bei diesem Werk gehört habe.

Der Finalsatz lebte dann von intensivstem und fast fiebrigem Streicherklang; die Musik klang traurig und trotzdem friedvoll, leidend und doch wunderschön. Dabei wirkte die ganze Symphonie wie aus einem Guss und ich muss zugeben, dass ich trotz großer Mahler-Dirigenten wie Abbado, Maazel, Rattle oder Haitink die Neunte noch nie so vollkommen im Konzertsaal erlebt habe. Das Concertgebouw Orchestra selbst spielte, als gäbe es keine Grenzen für Klang und Ausdruck. Alle Soli, die Chung übrigens nicht dirigierte, sondern die jeweiligen Musiker selbst gestalten ließ, waren überragend und auch das Orchesterspiel als Ganzes war vom Allerfeinsten. Unterstützt durch die sehr klare, nuancenreiche Akustik des Saales gewann Mahlers Neunte somit an Farbenreichtum, dynamischen Abstufungen und klanglicher Schönheit. Besser geht’s nicht, und das bekundete das Publikum auch mit lautstarkem Jubel und Standing Ovations.

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