Am 27. April 1867 erlebte Charles Gounods Oper „Roméo et Juliette“ am Pariser Théatre Lyrique ihre Uraufführung. Noch im selben Jahr, am 30. Oktober 1867 fand in Dresden die Deutsche Erstaufführung statt. Nun ist das Werk an der Semperoper erneut zu erleben. Michael Oehme berichtet.
Nach seiner 1859 uraufgeführten Faust-Oper wandte sich Gounod in den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts einem weiteren Stoff der Weltliteratur zu, William Shakespeares Romeo und Julia. Wie viele Komponisten vor und nach ihm faszinierte ihn die vielleicht berühmteste tragische Liebesgeschichte der Welt. Gounod hatte schon als Konservatoriumsschüler Hector Berlioz’ dramatische Symphonie Roméo et Juliette gehört und kannte wohl auch Vincenzo Bellinis Vertonung I Capuleti e i Montecchi. An deren emotionale, zu Herzen gehende Tiefe reicht Gounods Komposition nicht heran. Dennoch ist in Dresden ein sehens- und hörenswerter Opernabend zu erleben.
Das Regieteam um Barbara Wysocka siedelt den Stoff im Ambiente der italienischen Neuen Sachlichkeit an. Die Bildwelt eines Giorgio de Chirico lässt grüßen. Die Säulenhallen verbreiten eine gewisse Kälte, die statuarischen Chorszenen verdeutlichen die Unversöhnlichkeit der verfeindeten Familienclans der Capuleti und Montecchi.
Gesungen wurde vom Sächsischen Staatsopernchor natürlich extrem präzise, kraftvoll und strahlprächtig (Einstudierung: Jan Hoffmann). Außerordentlich lebendig gestaltete sich die Personenführung der Protagonisten. Beachtlich zum Beispiel der Schwertkampf zwischen Tybalt und Mercutio, dem beide dann auch durch das Eingreifen Romeos erliegen und die Tragik ihren Lauf nimmt. Ja, der Romeo des chinesisch-australischen Sängers Kang Wang, er ist die eigentliche Sensation dieser Dresdner Opernproduktion: jung, gutaussehend und damit absolut glaubwürdig zum Verlieben und das mit einer fülligen, immer freien, nie engen Stimmgebung seines herrlichen Tenors.
Tuuli Takala gab dazu eine passable Juliette, den Anforderungen der Rolle durchaus gewachsen, nicht immer aber ‘sitzt’ die Stimme und flattert ein wenig.
Aus den zahlreichen Solopartien seien in der Hosenrolle des Stéphano Valerie Eickhoff mit ihrer hellen leuchtenden Tongebung hervorgehoben, mit seinem betörenden Bariton Oleksandr Pushniak als Capulet sowie in gewohnter Souveränität Georg Zeppenfeld als Pater Laurent.
Robert Jindra und die Staatskapelle begleiteten auf gewohnt hohem Niveau, besonders berührend die zarten Streicher-Passagen. Auf der Bühne reichte es in der ergreifenden Schlussszene allerdings nicht bis zu Tränen. Dennoch gab es minutenlangen Applaus für alle Beteiligten, allen voran für die Sänger der beiden Titelpartien und die Staatskapelle, freundlichen auch für die Inszenierung.