Der sechzehnjährige deutsche Cellist Philipp Schupelius ist Gewinner des Discovery Award der International Classical Music Awards 2020. Der in Berlin aufgewachsene Musiker studiert zurzeit bei Prof. Wolfgang-Emmanuel Schmidt am Julius-Stern-Institut der Universität der Künste Berlin, einer der größten und renommiertesten Einrichtungen der musikalischen Nachwuchsförderung in Deutschland. Am Rande von Konzerten beim VP Bank Classic Festival in Bad Ragaz (Schweiz) haben Isabel Roth, Martin Hoffmeister (MDR) und Remy Franck (Pizzicato) das folgende Interview mit Philipp Schupelius gemacht.

Philipp Schupelius
(c) Andreas Domjanic

Philipp, was bedeutet es für Dich als jungen Musiker, den Discovery Award der ICMA gewonnen zu haben?
Es ist eine sehr große Ehre! Ich freue mich, weil der Preis für junge Musiker so wichtig und hilfreich ist, und weil ich weiß, was aus früheren Preisträgern geworden ist. Und ich freue mich ganz besonders auf die Gala in Sevilla, wo ich mit dem Orchester aus Sevilla unter John Axelrod zwei Sätze aus einem meiner Lieblingskonzerte, dem Elgar-Konzert spielen werde.

Philipp Schupelius im Interview
(c) Martin Hoffmeister

Philipp, Dein Vater sagt, er und Deine Mutter hätten Dich nie zum Cellospiel und generell zum Musikmachen gezwungen. Du hast Dich angeblich selbst da hineingekniet und machst den Eindruck, dass Du wirklich gerne auf der Bühne bist. Ist die Musik für Dich ein derart wichtiges Gebiet der Kommunikation?
Oh, ja. Wobei ich Musik früher eigentlich nicht als Kommunikation wahrgenommen habe, sondern einfach als etwas, was ich mag und was mir Spaß macht. Ich hatte und habe auch nie Cellounterricht, der voller Drill und Tonleitern war, sondern wirklich immer einen voller Musik. Kommunikation fand dann im Wesentlichen zwischen mir und dem Cello statt. Und das spielt auch heute noch eine Rolle. Aber inzwischen kommt da natürlich eins zum anderen, Kommunikation mit anderen Musikern, mit dem Publikum. So genau kann ich es aber eigentlich gar nicht sagen. Ich mache es einfach sehr, sehr gern. Cello zu spielen ist das Wichtigste in meinem Leben.

Warum fiel Deine Wahl auf das Cello?
Ich habe mit acht Jahren mit dem Cello angefangen. Ich habe vier Geschwister, und alle machen in irgendeiner Form Musik. In einem Konzert habe ich dann gesehen, wie Ulrich Voss dirigierte – und das wollte ich auch. Ulrich Voss hat mir wirklich ein bisschen Dirigieren beigebracht, mehr zum Spaß. Eigentlich war er Cellist. Und so kam das Cello ins Spiel und hatte bald die Hauptrolle. Dirigieren möchte ich zwar immer noch irgendwann einmal lernen, im besten Fall dann auch wirklich mal dirigieren. Allerdings kann ich mir inzwischen nicht mehr vorstellen, nicht Cello zu spielen.

Was genau fasziniert Dich an diesem Instrument?
Dem Cello wird oft nachgesagt, dass es der menschlichen Stimme am nächsten kommt. Das liegt an der Klangvielfalt und an der Reichweite des Tons, vom Bass bis in die Geigen-Register. Man kann diesem Instrument einfach sehr viele Farben entlocken. Mit einem Cello verbindet man sich sehr eng.

Und was magst Du besonders am Cellokonzert von Edward Elgar?
Elgar schrieb dieses Konzert ja im Jahr 1917, also während des Ersten Weltkriegs. Hinzu kam, dass seine Frau schwer erkrankt war. Und dann fiel ihm diese Melodie ein, aber er wusste noch nicht, wer der Erzähler sein sollte. Glücklicherweise wählte er das Cello aus. Ich finde, es ist genau das richtige Instrument, um diese Geschichte zu erzählen. Das Cello lebt mit – in allen Facetten. Die Grundstimmung ist melancholisch, aber es gibt auch sehr fröhliche Rückblickmomente, übermütige und dann wieder verzweifelte. Es ist unglaublich, was es darin an Stimmungen zu entdecken gibt.

Es ist ein technisch sehr herausforderndes Stück…
Es ist eines jener wenigen Konzerte, wo man gleich mit dem ersten Ton voll in der Musik drin sein muss. Vergleichbar ist in der Hinsicht im Weitesten eigentlich nur noch das Saint-Saëns-Konzert. Die ersten Akkorde müssen hineinziehen. Aber das hat auch den Vorteil, dass man sofort richtig drin ist in der Stimmung.

Hast du Referenzen für dieses Konzert?
Die Jacqueline DuPré-Aufnahme ist herausragend, weil sie eine unglaubliche Intensität hat und die Spannung vom ersten bis zum letzten Ton hält. Daneben mag ich auch die Aufnahme von Yo-Yo Ma sehr.

Philipp Schupelius
(c) Andreas Domjanic

Du wirst jetzt Dein Repertoire noch erweitern müssen. Ist es eine große Herausforderung, immer wieder neue Stücke zu lernen?
Es macht vor allem unglaublich viel Spaß! Viele Stücke spielen zu können, und immer wieder neue zu lernen, ist spannend und immer wieder ein neues Abenteuer. Ich mag es, wenn ich viel zu tun habe auf dem Cello, ich mag es, wenn mein Instrument mich fordert. Natürlich muss ich mir die Zeit nehmen, um die Stücke auch in die Tiefe und zu Ende zu arbeiten, um dem jeweiligen Komponisten gerecht zu werden. Das ist ja das Verrückte: Dass man sich als Musiker so eng und so persönlich auf das Werk anderer einlässt.

Das Cello kann man solo spielen, in Orchesterkonzerten oder in der Kammermusik. Hast Du eine Vorliebe?
Das sind die völlig verschiedenen Facetten im Musikleben, und ich mag alle drei. In der Kammermusik ist das Miteinandermusizieren etwas sehr Bereicherndes. Jeder hat zwar einen sehr wichtigen Part, aber man muss sich auch zurücknehmen können, es ist ja kein solistischer Auftritt. Diese Kommunikation gibt es beim Solostück nicht, die kommt in der Kammermusik am stärksten zur Geltung. Dafür kann der Solist voll ausspielen. Beides hat seine Vorteile, am liebsten möchte ich alles machen.

Hast Du einen Lieblingskomponisten?
Nun, das wechselt und ich mag immer gerade den Komponisten am meisten, den ich gerade spiele. Aber generell, ja, es gibt Lieblingskomponisten. Ich liebe Beethoven, weil er sehr humorvoll ist und in vielen Stücken sehr viel Witz zeigt. Natürlich liebe ich auch Bach, insbesondere wegen seiner klanglichen Vielfalt. Bei ihm klingt jedes Stück völlig anders, es hat seine eigene ganz spezifische Klangwelt. Aber gerade das Cello verträgt wirklich viele Komponisten. Man hat so viele Möglichkeiten, um die jeweils charakteristischen Klangfarben darzustellen. Jeder Komponist ist anders. Das ist eine Herausforderung, wenn man in einem Konzert mehrere Stücke verschiedener Epochen und Komponisten spielt. Man muss sich dann immer wieder in das jeweilige Stück hineindenken und sich auf dessen Klangwelt fokussieren.

Wie verläuft Deine Ausbildung?
Ich bin seit einigen Jahren am Bach-Gymnasium in Berlin und war Jungstudent an der Hans Eisler Musikhochschule. Beide sind ja eng miteinander verknüpft. Und jetzt bin ich seit vorletztem Jahr am Stern-Institut der UdK.

Philipp Schupelius (c) Remy Franck

Und Du hast eine enge Beziehung zur Musikakademie Liechtenstein. Was bedeutet diese Einrichtung für Dich?
Es gibt zwar auch in anderen Institutionen immer mal wieder die Gelegenheit, aufzutreten, das ist aber meistens nur Vorspielen in der Klasse. Die Musikakademie Liechtenstein bietet uns neben den Intensivwochen auch viele Möglichkeiten, in richtigen öffentlichen Konzerten zu spielen, und das nicht nur in Europa. So konnte ich mit meinem Trio, das sich an der Musikakademie überhaupt erst gefunden hat, z.B. nach Singapur fahren. Das sind prägende Erlebnisse. Das hat man woanders wirklich überhaupt nicht.

Wie sieht ein ganz normaler Tag von Philipp Schupelius aus?
Ich bin ja jetzt in der Oberstufe und es gibt am Bach-Gymnasium die Möglichkeit, diese auf drei Jahre aufzuteilen. Das hat zur Folge, dass ich pro Tag etwas weniger Schule habe. Ich habe einen relativ weiten Schulweg mit Bus und U-Bahn. Je nach Verbindung bin ich manchmal fast eine Stunde unterwegs. Die Zeit nutze ich zum Lesen oder zum Musikhören. Meistens ist irgendwann zwischen halb zwei und drei Schulschluss, und dann fahre ich nachhause, und wir essen immer gemeinsam in der Familie. Meine älteren Geschwister sind zwar schon ausgezogen, aber sie sind trotzdem oft da. Mein kleiner Bruder ist sowieso da, er spielt auch Cello. Und dann wird geübt. Mein wichtigstes Hobby ist wohl das Lesen, aber ich liebe es auch, mich über das Üben hinaus mit der Musik zu beschäftigen, möglichst viel Musik zu hören. Außerdem habe ich eine Schwäche für Cabaret und Varieté. Für Comedians insbesondere. Und wenn ich lese, lese ich auch sehr gerne über Musik und über Komponisten. Sich mit der Person eines Komponisten zu beschäftigen verschafft mit immer einen besseren Einblick in die Musik und hilft mir, die Musik besser zu verstehen. Wenn man die Personen hinter einer Komposition verstanden hat, kann man seine Musik besser einordnen.

Wie sieht Deine Zukunft aus?
Wie genau mein Weg aussehen wird, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich auf jeden Fall einen Weg mit dem Cello einschlagen werde.

Du liest sehr viel über Musik, hörst Du auch viel, gehst Du auch oft in Konzerte?
Ich höre viel zuhause. Konzerte besuche ich auch, und in Berlin hat man ja viele Möglichkeiten. Ich habe die ClassicCard und kann so günstig in Konzerte gehen. Es ist immer von Vorteil, wenn man ein Stück kennt, wenn man beginnt, es zu spielen Natürlich darf man nicht kopieren, man sollte schon am Ende seine eigenen Interpretationen finden.

Du sagtest vorhin, das Cello sei ein ‘singendes’ Instrument. Gehst Du auch in die Oper?
Ja, ich mag Oper sehr. Ich bin zwar in der Familie nicht der größte Opernfan, mein kleiner Bruder ist mir da um Einiges voraus und kennt noch mehr als ich, und meine Schwester ist Sängerin – aber die Oper in ihrer Kombination von Schauspiel und Musik begeistert mich immer wieder.

Du hast schon einige Wettbewerbe gespielt, werden noch weitere kommen?
Ich habe noch nicht viele große Wettbewerbe gespielt. Ich weiß auch noch nicht ganz sicher, welche ich anstreben werde. Wettbewerbe sind nützlich, weil man dadurch ein Ziel vor Augen hat, und weil in den Wettbewerben viel Repertoire verlangt wird. Darauf hinzuarbeiten, kann gut sein für die eigene Entwicklung.

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