Fast zeitgleich erscheinen zwei Dirigentenbücher, die zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen an die Musik aufzeigen. Alain Steffen hat sie gelesen und beschreibt sie in folgendem Beitrag.

Auf der einen Seite haben wir den Newcomer Omer Meir Wellber, sicherlich eine hoch interessante Dirigentenpersönlichkeit. Dieser junge israelische Dirigent, der sich dem Mainstream verschließt, hat sich vor allem als Operndirigent innerhalb einer kurzen Zeit einen hervorragenden Namen gemacht.

In der Semperoper war er für die drei Da Ponte-Opern Mozarts anlässlich der Dresdener Mozart-Tage verantwortlich. In diesem Buch nähert er sich dem Gespann Da Ponte-Mozart aus ungewohnten Perspektiven, analysiert und deutet die drei Werke von den drei großen Themen des Lebens  aus.

‘Die Angst, das Risiko und die Liebe’, so auch der Titel, erzählt auf erfrischend unprätentiöse und fantasievolle Weise von Omer Meir Wellbers ‘Momenten mit Mozart’. Dem Leser ermöglicht er so, Mozarts Meisterwerke aus neuen Perspektiven zu erleben und so auch festgesetzte und alte Ideen über Bord zu werfen und so manches neu zu überdenken. Anhand spannender Ideen und unkonventioneller Interpretationsvorschläge wird die Doppelbödigkeit von ‘Le Nozze di Figaro’, ‘Don Giovanni’ und ‘Cosi fan tutte’ erkennbar, und das ermöglicht dem Leser eine tiefere, zeitbezogene und somit aktuelle Lesart dieser zeitlosen Meisteropern.

Das Buch, das Omer Meir Wellber zusammen mit der Publizistin Inge Kloepfer geschrieben hat, liest sich flüssig und verzichtet durch seine Kompaktheit auf überflüssige Informationen. (ecowin / 136 Seiten / gebunden)

Auf der anderen Seite beschreibt Altmeister Ralf Weikert, was es bedeutet, Dirigent zu sein. Der Titel ‘Beruf Dirigent’ deutet bereits daraufhin, dass es Weikert nicht auf eine Romantisierung des Dirigentenberufes geht, sondern viel eher um eine klare und präzise Beschreibung. Der sogenannte Mythos vom Maestro, der ja für viele Musikliebhaber immer noch so wichtig ist, wird von Weikert entzaubert. Der Dirigent beschreibt in klaren und deutlichen Worten, was es heißt, Dirigent zu sein. Dass nämlich dirigieren sehr viel mit einem äußerst vielseitigen und komplexen Handwerk zu tun.

In Weikerts Buch geht es u.a. darum, wie man sich als Dirigent einer Partitur nähert, wie man eine Oper dirigiert und das Ensemble in der Balance hält, was man alles über Stimmen und Akustik wissen müssen und vor allem, wie man zu einem richtigen und werkkundigen Dirigenten wird. In jedem Moment wird deutlich, dass Dirigieren harte Arbeit ist und eigentlich sehr wenig mit Startum, Show und Effekten zu tun hat. Man erfährt ebenfalls viel über Traditionen, über das Wagner-Orchester, über Mozart,  über Proben und Aufführungen.

Ohne eine Biographie zu präsentieren, legt Ralf Weikert seine langjährige Erfahrung offen. Und in diesem Sinne ist ‘Beruf Dirigent’ ein gradliniges, ehrliches wichtiges Zeugnis dieses Berufs. (böhlau / 188 Seiten / gebunden)

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