Anton Bruckner: Symphonien Nr. 1-9 + Messe f-Moll; Lenneke Ruiten, Iris Vermillion, Shawn Mathey, Franz-Josef Selig, Orchestre de la Suisse Romande, Rundfunkchor Berlin, Marek Janowski; # Brilliant Classics 97082; Aufnahmen 2009-2012, Veröffentlichung 12.2023; Rezension von Remy Franck, Alain Steffen und Guy Engels

Zum Brucknerjahr bringt Brilliant Classics eine Box mit 9 CDs heraus, mit den Symphonien Nr. 1-9 und der f-Moll-Messe. Es ist dies eine Wiederveröffentlichung von Aufnahmen, die zuerst bei Pentatone herauskamen. Wieso Brilliant gerade diesen schwachen Zyklus auflegt, ist rätselhaft.

Gleich in der Aufnahme der 1. Symphonie vermag Marek Janowski nicht wirklich zu überzeugen. Eine übertriebene Nervosität, die den Hörer immer wieder auf falsche Fährten lockt, zu schnelle Tempi, die jeden Spannungsbogen verhindern, rustikale Tutti und ein zu aufgespaltenes Klangbild, in dem die einzelnen Instrumente äußerst unnatürlich in den Vordergrund geholt werden, deklassieren diese Einspielung schon im 1. Satz. Das Orchestre de la Suisse Romande spielt ohne wirkliche Überzeugungskraft. (AS)

Auch in Bruckners Zweiter wartet Marek Janowski mit einer rhetorisch zurückhaltenden, schlanken und transparent-feingliedrigen Interpretation auf. Leider wird dadurch das Ganze auch etwas flach und streckenweise sogar langweilig. Das Orchester spielt auf hohem Niveau und die Aufnahme ist gut ausbalanciert und durchhörbar. (RF)

Die Dritte Symphonie ist ein weiterer Baustein dieses recht modernen, aber wenig überzeugenden Bruckner-Zyklus von Marek Janowski. Das hier gute Orchesterspiel und die transparente Klangtechnik können aber nicht über Janowskis einförmige und recht langweilige Interpretation hinwegtäuschen. (AS)

Auf die ebenfalls nicht gut gelungenen Symphonien Nrn. 4 und 5 folgt die Aufnahme der 6. Symphonie, die dem Hörer ein Wechselbad der Gefühle bereitet und ihn mehr als einmal irritiert. Das liegt wohl daran, dass es schwer auszumachen ist, worauf der Dirigent Marek Janowski denn nun wirklich hinaus will. So hören wir einen wenig stimmigen Kopfsatz, bei dem Janowski quasi alle Strukturen und Bruckner-Klischees über den Haufen werfen will und schließlich doch vor einem Haufen Notenscherben steht. Erstaunlich brav und zahm folgt das Adagio, das, im Gegensatz zum 1. Satz, nun wieder den typischen Bruckner-Klang anstrebt. Das Scherzo bietet kaum Überraschungen, wird aber recht markant genommen. Und auch beim Finale schwächelt Bruckner; hier wechseln sich betörend schöne Stellen mit fragwürdigen Passagen ab, so dass man im Laufe dieser einstündigen Symphonie vom Regen in die Traufe kommt und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Nein, diese unausgegorene Bruckner-Interpretation muss wirklich nicht sein, obwohl das Orchestre de la Suisse Romande rein spieltechnisch überzeugt. (AS)

Dasselbe gilt für die Siebte Symphonie. Die Achte ist besser geraten. Wer eine Bruckner-Vision erleben will, die sich durch einen schlanken und filigranen Klang, zügige Tempi und eine eher objektiv ausgerichtete Dynamik auszeichnet, der ist hiermit bestens bedient. Aber gerade bei den großen Bögen der Achten kommt dieses Konzept schon etwas in Schwitzen. Die kammermusikalische Ausleuchtung will hier ebenso wenig greifen, wie der emotional zurückhaltende, recht nüchterne und im Tempo zupackenden Zugriff des Dirigenten. (AS)

Für die Neunte Symphonie nimmt sich Marek Janowski viel Zeit, aber die Musik erstarrt dennoch nie. Der kontinuierliche Puls ist da, ebenso wie die Spannung, die unsere Aufmerksamkeit fesselt, und man hat schnell das Gefühl, dass Janowski alles vermeiden will, was die Musik belasten könnte, Pathos, reine Orchesterpracht oder pompöse Effekte; er bevorzugt sogar die intimen Momente. Seine Lesung hat dennoch genug Größe und Strenge, um ihre volle Bedeutung zu entfalten. (RF)

Auf die Symphonien folgt die f-Moll-Messe. Es ist Bruckners letzte große Messe und zugleich sein erster wichtiger Erfolg in dem ihm wenig freundlich gesinnten Wien. Einmal mehr bringt der Komponist hier seinen tiefen Glauben zum Ausdruck, exemplarisch gestaltet im Credo – dem längsten Abschnitt des Werkes.

Marek Janowski verliert ob der Größe dieser Musik, ob ihrer inneren Kraft nie die Bodenhaftung. Er gestaltet die typisch Brucknerschen Steigerungen ohne schwelgendes Pathos, dafür aus einer inneren Ruhe heraus hin zu einer wahren Entfesselung aller Kräfte. Die Rhetorik bleibt dabei stets klar, ausdrucksstark und vermittelt ohne Umschweife, ohne Manierismen die Erhabenheit der Musik. (ge)

Unter dem Strich bleibt als ein Minus. Die beiden letzten Symphonien und die Messe können nicht retten, was zuvor an Schäden angerichtet wurde.

To mark the Bruckner Year, Brilliant Classics is releasing a box set of 9 CDs with the Symphonies Nos. 1-9 and the F minor Mass. This is a reissue of recordings that were first released by Pentatone. Why Brilliant is releasing this weak cycle is puzzling.

Marek Janowski is not really convincing in the recording of the 1st Symphony. An exaggerated nervousness that repeatedly lures the listener onto the wrong track, tempi that are too fast and prevent any arc of tension, rustic tutti and a sound that is too split up, in which the individual instruments are brought to the fore in an extremely unnatural way, already declassify this recording in the first movement. The Orchestre de la Suisse Romande plays without any real conviction. (AS)

Marek Janowski also offers a rhetorically restrained, slender and transparently subtle interpretation of Bruckner’s Second. Unfortunately, this also makes the whole thing somewhat flat and even boring at times. The orchestra plays at a high level and the recording is well balanced and easy to listen to. (RF)

The Third Symphony is another building block in this quite modern but not very convincing Bruckner cycle by Marek Janowski. However, the good orchestral playing and the transparent sound technique cannot hide Janowski’s monotonous and rather boring interpretation. (AS)

The equally unsuccessful Symphonies Nos. 4 and 5 are followed by the recording of the 6th Symphony, which gives the listener a rollercoaster of emotions and irritates him more than once. This is probably due to the fact that it is difficult to make out what conductor Marek Janowski is really getting at. We hear a less than coherent first movement in which Janowski wants to throw all the structures and Bruckner clichés overboard and ends up with a pile of broken notes. The Adagio is then surprisingly well-behaved and tame, which, in contrast to the first movement, once again strives for the typical Bruckner sound. The Scherzo offers hardly any surprises, but is taken quite strikingly. And Bruckner also weakens in the finale; here, beguilingly beautiful passages alternate with questionable passages, so that in the course of this hour-long symphony, one goes from the frying pan into the fire and can no longer see the wood for the trees. No, this half-baked Bruckner interpretation really doesn’t have to be, although the Orchestre de la Suisse Romande is convincing in terms of playing technique. (AS)

The same applies to the Seventh Symphony.  The Eighth is better. If you want to experience a Bruckner vision characterized by a slender and filigree sound, brisk tempi and rather objective dynamics, this is the best choice. However, it is precisely with the large arches of the Eighth that this concept starts to sweat a little. The chamber music-like illumination is just as ineffective here as the conductor’s emotionally restrained, rather sober and fast-paced approach. (AS)

Marek Janowski takes a lot of time for the Ninth Symphony, but the music never freezes. The continuous pulse is there, as is the tension that captures our attention, and you quickly get the feeling that Janowski wants to avoid anything that could burden the music, pathos, pure orchestral splendor or pompous effects; he even prefers the intimate moments. Nevertheless, his reading has enough grandeur and rigor to unfold its full meaning. (RF)

The symphonies are followed by the Mass in F minor. It is Bruckner’s last great mass and at the same time his first important success in Vienna, which was not very friendly to him. Once again, the composer expresses his deep faith here, exemplified in the Credo – the longest section of the work.

Marek Janowski never loses his grip on the greatness of this music and its inner strength. He creates the typical Brucknerian climaxes without indulgent pathos, but from an inner calm towards a true unleashing of all forces. The rhetoric always remains clear, expressive and conveys the sublimity of the music without digression or mannerisms. (ge)

The bottom line is that the last two symphonies and the Mass cannot make up for the damage done previously.

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