Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich in Linz ein kulturpolitischer Wandel, der, auch nüchtern betrachtet, so ungewöhnlich ist, dass er eine eingehende Analyse rechtfertigt.

Einem Vertragstext zufolge, der Pizzicato vorliegt, wird der bei Opus 3 Artists GmbH in Berlin angestellte Artist Manager Daniel-Frédéric Lebon unter andrem mit der « gesamten Programmierung/Dramaturgie im Brucknerhaus“ sowie der « Koordination der Mitarbeiter der dramaturgischen Abteilung des Brucknerhauses“ beauftragt, womit er faktisch für die Programmplanung des Konzerthauses zuständig ist.

Nun aber hat der Zusammenschluss der Agenturen Askonas Holt und Opus 3 Artists zu einer der größten Agenturen der Klassikwelt geführt, die ihrerseits mittlerweile mitsamt dem Klassiklabel Pentatone vom San Francisco Conservatory of Music aufgekauft wurde. Das ist Weltpower im Musikgeschäft.

Obwohl die Funktion von Lebon im Vertrag als Consultant bezeichnet wird, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Vollzeitstelle. Lebon ist aber nach Berichten österreichischer Medien weiterhin als Artist Manager bei Opus 3 Artists tätig.

Die Frage ist, ob das ethisch vereinbar ist? Die Oberösterreichischen Nachdichten titelten nicht ohne Grund « Ein Doppelagent im Brucknerhaus? »

Hinzu kommt, dass Lebon angeblich die meiste Zeit von seinem Büro im fast tausend Kilometer von Linz entfernten Hamburg aus arbeitet. De facto wurde so das Konzerthaus in Linz unter die Kontrolle der Agentur gebracht, ohne hierfür einen Mitarbeiter vorübergehend freistellen und sogar ohne ihn an den Ort des Geschehens entsenden zu müssen.

Lebon leitet also die Programmierung von ca. 150 Veranstaltungen, die im Rahmen des Internationalen Brucknerfests Linz sowie der Saison des Brucknerhauses Linz stattfinden, und koordiniert zusätzlich noch die Tätigkeit « der Mitarbeiter der dramaturgischen Abteilung“.

Ein Insider sagt: « Die vertragliche Vereinbarung ist zudem ein Paradebeispiel für einen Interessenskonflikt und eine grobe Wettbewerbsverzerrung, denn eine der größten Agenturen der Klassikwelt kann nun entscheiden, wer im Brucknerhaus Linz auftritt und wer nicht, welche Tourneeprojekte oder Nachwuchskünstler eine Chance erhalten und welche nicht usw. »

Nicht weniger pikant ist, dass alle anderen Agenturen, die ihre Künstler und Projekte dem Brucknerhaus Linz anbieten, gezwungen sind, ihre Planungen einem direkten Konkurrenten offenzulegen.

Wohl sagte Intendant Dietmar Kerschbaum, er habe in allen künstlerischen Fragen des Brucknerhauses Linz das letzte Wort, aber man kann im vorhalten, dass er immer nur aus dem auswählen kann, was an Angeboten auf dem Tisch liegt, und es ist jetzt ein in erster Linie seinem Arbeitgeber Opus 3 Artists verpflichteter hauptberuflicher Agent, der entscheidet, was überhaupt auf diesen Tisch kommt und was nicht.

Konkurrenten stellen sich daher die Frage, ob ihre Vorschläge überhaupt noch ernsthaft zur Diskussion gestellt werden, oder ob Lebon nicht in erster Linie an Künstler des eigenen Hauses denkt, wenn er plant.

Die « besondere Konkurrenzklausel“, die vorgibt, die Verpflichtung zu vieler von Opus 3 Artists vertretener Künstler zu verhindern, tun einige « als reine Augenwischerei » ab.

Eine Interessenkollision könnte man ebenso bei den Gagenverhandlungen für Künstler sehen, die durch Opus 3 Artists und Askonas Holt vertreten werden, da Lebon ja eigentlich beide Parteien vertritt.

Die Auslagerung des künstlerischen Geschäfts des Brucknerhauses Linz an die genannte Agentur bedeutet auch, dass hier öffentliche Gelder in Form von Subventionen im Spiel sind.

Ein Kenner der Szenen schlussfolgert: « Dieser Vertrag hat das Potenzial, zum Präzedenzfall zu werden und den klassischen Konzertbetrieb grundlegend zu verändern. »

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