A New Century: Ludwig van Beethoven: Streichquartett Op. 132 (arrangiert für Streichorchester von Franz Welser-Möst); Bernd Richard Deutsch: Okéanos; Sergej Prokofiev: Symphonie Nr. 3; Johannes Maria Staud: Stromab; Richard Strauss: Aus Italien, Edgar Varèse: Amériques; Paul Jacobs, Orgel, Cleveland Symphonie Orchester, Franz Welser-Möst; 3 SACDs Cleveland Orchestra TCO0001; Aufnahme 2017-2019; Veröffentlichung 05/06/2020 (188'12) – Rezension von Uwe Krusch

Beim Titel Ein neues Jahrhundert mag mancher wegen der in dieser Zeit komponierten Musik an das Programm selbst denken, jedoch ist diese Sammlung auf drei Scheiben ein Geschenk des 1918 gegründeten Orchesters an sich selbst. Im Arrangement von Franz Welser-Möst blüht Beethovens Streichquartett op. 132 durch die Addition von Kontrabässen in der tiefen Lage auf. Insgesamt bringen die vielfach besetzten Streicherkräfte zusätzlich Wärme und weniger virtuose Ausstrahlung in das Werk, was auch ein Ausdruck des europäischen Klangs des Orchesters ist. Im dritten Satz wird das Orchester vom Dirigenten inspiriert zu seiner atemberaubendsten Darbietung angeregt.

Amériques von Varèse klingt auch heute noch modern. Unheimliche Klangfarbenkombinationen und die einzigartige Verarbeitung von Melodie und Rhythmus sind immer noch staunenswert. Variierende Stimmungen bei Beethoven treffen hier auf Verunsicherung, Verwirrung und Schattierungen. Die Nuancen dieses Werkes formt Welser-Möst zu einem eindrucksvollen Bogen, und die Musiker geben eindrucksvolle Soli.

Mit Stromab von Johannes Maria Staud erklingt ein Kompositionsauftrag des Orchesters. Das gut fünfzehnminütige Werk, inspiriert von Blackwoods Die Weiden, bietet horrorlastig fließende Spannung und sogar Tanzfreuden. Es beginnt mit gleißenden Effekten, gefolgt von rhythmisierten Orchesterbewegungen, die mit spannungsförderndem Flirren garniert sind. Das Werk ist nicht Programmmusik, aber die Schwingungen, die von der Prosa ausgehen, werden zu Klang. Mit schillernden Farben wird das Orchester die Donau hinabgeschickt und macht die Schreckensgeschichte unterhaltsam und eindringlich.

Das Orgelkonzert Okéanos ist alternierend mit je zwei langsamen und raschen Sätzen strukturiert. Der Orgel wird ein groß besetztes Orchester entgegengestellt, klanglich durch vier Schlagzeuger sowie Windmaschine, Celesta und Harfe erweitert. Der Titel Okéanos, also Ozean, aber auch Ursprung der Welt, vermittelt eine Idee von Größe und Weite. Neben virtuos solistischen Aufgaben dialogisiert die Orgel immer neu mit dem äußerst differenziert eingesetzten Orchester. Intime, zarte Momente wechseln mit ekstatischen Ausbrüchen, durch Tempi und Rhythmen geschärft. Der Titel gibt die Assoziation zum Wasser durch orchestrale Wellen wieder. Die anderen Sätze stehen für die übrigen Elemente Luft, Erde und Feuer.

Paul Jacobs ist der einzige Solist dieser Sammlung. Bisher einziger Grammy Gewinner für Orgel und Marathonmann für die Aufführung des Gesamtorgelwerks von Bach am Stück, ist er auch moderner Musik zugetan. Der ausdrucksvollen Gestaltung des Soloparts von Okéanos kann man entnehmen, dass er auch moderne Musik beherrscht. Luftig Leichtes weiß er neben Ausbrüchen zu platzieren. Jacobs lässt sich von der Musik mitreißen ebenso wie er sie vorantreibt und wird dabei mustergültig vom Orchester unterstützt.

Zwei klassische Komponisten stellen dann noch ältere Seiten des vergangenen Jahrhunderts in den Blick, Aus Italien von Strauss und von Prokofiev die 3. Symphonie. Wie nicht anders zu erwarten, erleben beide Stücke technisch ausgefeilte und interpretatorisch hochklassige Darbietungen.

Wie gut die Zusammenbeißt zwischen Dirigent und Orchester funktioniert, wird auch daran deutlich, dass der Vertrag mit Welser-Möst jüngst bis 2027 verlängert wurde und seine Epoche dann die legendäre mit George Szell zeitlich überschreiten wird.

In the arrangement by Franz Welser-Möst Beethoven’s Quartet op. 132 double basses add a strong deep sound to the work. Generally, the multiple strings bring additional warmth and less virtuosic charisma to the work, which is also an expression of the orchestra’s European sound. Especially in the third movement the orchestra delivers an almost most breath-taking performance.
With its eerie colour combinations and the unique processing of melody and rhythm Varèse’s Amériques sounds modern even today. Welser-Möst’s inspired conducting is as impressive as are some of the solos by the Cleveland musicians.
Downstream (Stromab) by Johannes Maria Staud is inspired by Blackwood’s frightening horror short The Willows. It begins with glistening effects, followed by rhythmic orchestral movements garnished with tension-promoting shimmering. The orchestra plays with dazzling colours, making the horror story entertaining and haunting.
In the organ concerto Okéanos the organ sound is contrasted by a large orchestra. The title is intended to convey an idea of size and vastness. In addition to virtuosic solo tasks, the organ is given ever new combinations and dialogues with the orchestra. Intimate, tender moments alternate with ecstatic outbursts, sharpened by tempi and rhythms.
In the solo part, Paul Jacobs is an expressive performer, who lets himself be carried away by the music as much as he pushes it forward. He is very well supported by the orchestra.
Two classical compositions then turn their attention to the older sides of the past century, From Italy by Strauss and Prokofiev’s 3rd Symphony. As expected, both performances are technically and musically sophisticated and truly exciting.

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