Hector Berlioz: Grande Messe des Morts (Requiem), op. 5, H. 75 + La mort d'Orphée, H. 25; Kenneth Tarver, Tenor, Seattle Symphony Chorale, Seattle Pro Musica, Seattle Symphony, Ludovic Morlot; 1 SACD Seattle Symphony Media; SSM1020 (nur Requiem: SSM1019); Liveaufnahme 11/2017 (Requiem) 2015/16 (La mort d’Orphée), Veröffentlichung 14/09/2018 - 88'48 (75'59, nur Requiem) – Rezension von Remy Franck

Das Requiem von Hector Berlioz ist eine der zerklüftetsten Kompositionen der gesamten Literatur. Gewaltigste Klangballungen stehen zartesten Kammermusikpassagen gegenüber. Das unter einen Hut zu bringen, haben schon viele Dirigenten nicht geschafft, weil sie mit der Dynamik auch den Ausdruck wechselten, weil sie die Intimität der ruhigen Teile in den groß besetzten Stücken mit Opulenz und Brillanz kompensierten und dabei den Requiem-Charakter der Komposition verletzten. Auf CD ist Roger Norrington einer der wenigen Dirigenten, dem es gelang, der Musik die richtige Balance zu geben.

Morlot macht das sogar noch besser, weil er mehr noch als Norrington dem Chor mehr Bedeutung gibt und ihn als Hauptakteur zum alles verbindenden Element macht. Dennoch sollte man die Leistung des ‘Seattle Symphony’ nicht unterschätzen, das mit schönen Farben und einer wohlklingenden Transparenz musiziert.

Morlot bringt die Musik, ob laut oder leise, also auch in den Stücken, die bei anderen blendende Klangeffekte sind, in einer vertiefenden und zwingenden und wohl dosierten Leidenschaftlichkeit zum Ausdruck, weil er das Ganze in einen Zusammenhang bringt und, indem er die Effekte reduziert, den Reichtum des Ausdrucks steigert.

Kenneth Tarver singt mit starker und gut fokussierter Stimme, ziemlich intonationssicher und sehr lyrisch, ohne je zu strapazieren.

Und so wird denn dieses Requiem, das uns schon so oft unausgegoren vorgekommen ist, plötzlich in der ganzen Souveränität seiner Form und wegen der perfekten Balance zwischen Chor und Orchester zum ergreifenden musikalischen Erlebnis. Dank Morlots Gestaltungsphantasie und der Hingabe aller seiner hervorragenden musikalischen Kräfte bekommt es die tiefe spirituelle Tiefe, die ihm so oft fehlt.

With the choirs becoming the most important actor in Berlioz’s Requiem, Ludovic Morlot is providing an excellent balance between the louder and the softer parts of the work. Great performances from tenor Kenneth Tarver and from the colorful Seattle Symphony make this a rewarding release of great spiritual depth.

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