Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5; Brett Dean: Klavierkonzert Gneixendorfer Musik - Eine Winterreise; Jonathan Biss, Klavier, Swedish Radio Symphony Orchestra, David Afkham; # Orchid ORC100291; Aufnahmen 2023, Veröffentlichung 26.04.2024 (64'40) - Rezension von Remy Franck

Im Jahr 2015 initiierte Jonathan Biss ein Projekt mit Beethovens Fünf Klavierkonzerten und fünf neuen Werke von einigen der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, die auf Beethovens Konzerte reagieren. Dieses Album, das mit dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester aufgenommen wurde, enthält Beethovens 5. Klavierkonzert und Brett Deans ‘Gneixendorfer Musik, A Winter’s Journey’.

Biss bemerkt dazu: « Brett Dean dabei zuzusehen, wie er sich mit Beethovens fünftem Klavierkonzert auseinandersetzt, war nicht nur erheiternd, sondern auch erbaulich. Gneixendorfer Musik ist ein rauschendes und bewegendes Essay über Beethovens Vitalität und Zerbrechlichkeit, und es nimmt sein fünftes Klavierkonzert als Ausgangspunkt, zitiert es großzügig, wenn auch immer durch eine verzerrende Linse, und immer mit Deans eigener unverwechselbarer Stimme im Vordergrund. Es ist ein Werk von verblüffender Kreativität, dessen Thema Beethovens verblüffende Kreativität ist. »

Große Klarheit in der Artikulation am Klavier und im Orchester sowie ein kongeniales Zusammenspiel mit spannendem Rubato und dynamischen Veränderungen, so kann man in einem Satz den Höreindruck der Interpretation von Beethovens Empereur-Konzert zusammenfassen, wobei die ohnehin nicht von Beethoven stammende Bezeichnung Empereur hier deutlich falsch wirkt, denn an Erhabenheit und Pracht ist nichts zu vernehmen. Das Spiel des Solisten und des Orchesters ist angenehm frisch und spontan. Der langsame Satz ist von unwiderstehlichem Charme und die Musik hat gleichzeitig etwas eigenartig Verträumtes. Im Finale erfreuen wiederum ein spannendes Dialogisieren und Nuancieren das Ohr, das so manche Formulierung als neuartig empfindet.

Der Kontrast von diesem lichtdurchfluteten Satz zum Anfang des Konzerts von Brett Dean ist groß. Der erste Satz ist nervös, drängend und virtuos. Er bezieht sich auf Beethovens Aussage, der Name Gneixendorf erinnere ihn an eine brechende Wagenachse. Doch das hätte der Komponist zu dem Zeitpunkt gar nicht gehört, denn er war 1826, als er nach Gneixendorf kam, bereits vollkommen taub. Beethoven kam in den Weinort, weil sein Bruder Johann als wohlhabender Apotheker dort ein kleines Schloss gekauft hatte. Er zog sich dort auch eine Lungenentzündung zu, an deren Komplikationen er schließlich nach seiner Rückkehr nach Wien sterben sollte. Der zweite Satz des Dean-Konzerts ist mit ‘Schwierige Entscheidungen. Muss es sein? – nach den Anmerkungen im letzten Satz seines Streichquartetts Nr. 16’ überschrieben. Er wirkt mysteriös und wie benommen.

Der letzte Satz ist quirlig und flüchtig. Er trägt den Titel ‘Applaus meine Freunde, die Komödie ist vorbei – nach seiner angeblich letzten Äußerung auf dem Sterbebett’. Die brillante Interpretation lässt das Konzert beeindruckend, wenn auch nicht besonders nachhaltig werden.

In 2015, Jonathan Biss initiated a project featuring Beethoven’s five piano concertos and five new works by some of today’s most important composers responding to Beethoven’s own concertos. Recorded with the Swedish Radio Symphony Orchestra, the album features Beethoven’s Fifth Piano Concerto and Brett Dean’s Gneixendorf Music, A Winter’s Journey.

Biss comments: “Watching Brett Dean reckon with the Beethoven Fifth Piano Concerto has been exhilarating and also edifying. Gneixendorfer Musik is a raucous and moving essay on Beethoven’s vitality and frailty, and it takes his fifth piano concerto as its point of departure, quoting from it liberally, though always through a distorting lens, and always with Dean’s own distinctive voice at the forefront. It is a work of astounding creativity whose subject is Beethoven’s astounding creativity.”

Great clarity in the articulation at the piano and in the orchestra as well as congenial interplay with exciting rubato and dynamic changes – this is how one can summarize the interpretation of Beethoven’s Emperor Concerto, whereby the term Emperor, which in any case does not originate with Beethoven, clearly seems to be wrong here, because there is no sublimity and splendor to be heard. The playing of soloist and orchestra is pleasantly fresh and spontaneous. The slow movement is irresistibly charming and at the same time the music has something strangely dreamy about it. In the finale, an exciting dialog and nuances delight the ear, which perceives many formulations as new.

The contrast between this light-flooded movement and the beginning of Brett Dean’s concerto is great. The first movement is nervous, urgent and virtuosic. It refers to Beethoven’s statement that the name Gneixendorf reminded him of a breaking wagon axle. However, the composer would not have heard this at the time, as he was already completely deaf when he came to Gneixendorf in 1826. Beethoven came to the wine village because his brother Johann, a wealthy apothecary, had bought a small castle there. It was there that he contracted pneumonia, the complications of which would eventually kill him upon his return to Vienna. The second movement of the Dean Concerto is entitled « Difficult decisions. Must it be? – after annotations in his String Quartet No. 16’s final movement. » The music is mysterious and dazed.

The final movement is lively and fleeting. It is entitled ‘Applause, my friends, the comedy is over’ – after his alleged last utterance in his deathbed. The brilliant interpretation makes the concerto impressive, if not particularly memorable.

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