Elzbieta Pendereckas Ludwig van Beethoven-Osterfestival wurde gestern in der Warschauer Philharmonie mit einem Konzert der Warschauer Philharmoniker fortgesetzt. Am Pult stand der 1946 in Maastricht geborene niederländische Dirigent Hubert Soudant. Nach Orozco-Estradas Feuereifer war es gut, auch mal wieder einen mit der Musik atmenden Dirigenten auf dem Podium zu erleben, und das auch noch in einem hoch interessanten Programm mit Strauss und Sidecar-Komponisten.

Das Konzert begann vielversprechend mit ‘Stanislaw und Anna Oswiecim’ von Mieczyslaw Karlowicz (1876 -1909), der gewiss noch viel mehr attraktive Musik komponiert hätte, wäre er nicht im Alter von nur 32 Jahren beim Schifahren in einem Lawinenunglück ums Leben gekommen.

Hubert Soudant
(c) Bruno Fidrych

‘Stanislaw und Anna Oswiecim’, 1907 vollendet und vom Komponisten als polnische Travestie von ‘Romeo und Julia’ beschrieben, wurde durch ein Gemälde des polnischen Künstlers Stanislaw Bergmann angeregt, das den am Sarg seiner Schwester Anna trauernden Stanislaw darstellt. Das Gemälde geht auf eine Legende aus dem siebzehnten Jahrhundert zurück, welche die inzestuöse Liebe der Oswiecim-Geschwister beschreibt.

Wohl hat man Karlowicz vorgeworfen, Wagner und Strauss nachzuahmen, und der Komponist mag von beiden beeinflusst worden sein, aber er fand doch zu einer eigenen Tonsprache, mehr noch, zu einer extrem hochwertigen Tonsprache. Das zumindest offenbarte sich dem Hörer, weil seine Komposition vom Philharmonischen Orchester Warschau unter Soudant sehr intensiv gespielt wurde. Wir hörten eine suggestive, atmosphärisch dichte, eine sprechende Musik, die mit vibrierenden Streichern und mitteilsamen Bläsern die Geschichte erzählte.

Und wenn Karlowiczs brillante und farbenfrohe Orchestrierung manchmal an Richard Strauss denken ließ, so bekamen wir kohärenterweise von diesem sein Opus 3, den ‘Don Quixote’ zu hören, mit dem israelisch-amerikanischen Cellisten Amit Peled, der seinem Matteo Gofriller-Cello – es gehörte vormals u.a. Pablo Casals – warm-lyrische Klänge entlockte und sehr darstellerisch agierte. Auf der Bratsche spielte die im Programmheft ungerechterweise nicht genannte Solobratschistin der Warschauer Philharmoniker – sie heißt Marzena Hodyr -, mit einem schönen, hellen und schlanken Violaklang.

Im Orchester herrschte nicht, wie in den Tagen zuvor mit dem ‘hr-sinfonieorchester’, Hochglanzpolitur vor, sondern ein kräftig konturierter Klang mit satten Streichern und tollen Bläsern in allen Registern. Das Geblöke der fernen Schafherden kam ebenso prägnant zum Ausdruck wie viele andere skurrilen Klangbilder in dieser wunderbaren Tondichtung. Das alles mag nicht ganz so präzise geklungen haben wie die beiden Programme mit dem Frankfurter Orchester, dafür aber musikalischer.

Ein weiteres prächtiges und nicht oft zu hörendes Werk aus derselben Gattung waren Max Regers ‘Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin’ aus dem Jahre 1913. Die vier Gemälde von Arnold Böcklin, auf den sich die einzelnen Stücke beziehen, sind ‘Der geigende Eremit’, ‘Im Spiel der Wellen’ – und wer würde hier nicht an Debussys ‘La Mer’ denken? -, ‘Die Toteninsel’ (ebenfalls von Rachmaninov vertont) und ‘Bacchanal’.

Die Tondichtungen haben ein genaues Programm, und Hubert Soudant nutzte es, um mit der Musik die vier Geschichten spannend und voller Leidenschaft zu erzählen. Dabei war durchaus auch einiges an rein Sonorem zu bewundern, an Nuancen und Klangfarben, so dass man am Ende den Eindruck hatte, Regers Musik in einer ganzheitlich packenden Darstellung gehört zu haben.

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